[ 11. Februar 2024 ]

Achtzig Jahre Folkmar Hein – Eine unvollständige Gratulation

Achtzig Jahre Folkmar Hein – Eine unvollständige Gratulation

Am 2.Februar 2024 ist Folkmar Hein, Gründer und Ehrenmitglied der DEGEM, 80 Jahre alt geworden. Achtzig Jahre! Wie gratuliert man da angemessen? Würdigt man das Arbeitsleben, die Verdienste, das „persönliche, menschliche“? Wie richtet man den Focus auf die Person, ohne die sich das Leben zahlloser Musikschaffender anders entwickelt hätte, weil die Teile des Arbeitsfeldes „Elektroakustische Musik“, die Folkmar Hein geschaffen hat, schlicht fehlen würden?

Das Lebenswerk Folkmar Heins ist so vielschichtig, dass man es nur begreift, wenn man das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten betrachtet.

Schon sein langjähriger Arbeitgeber, die Technische Universität Berlin, ist das Ergebnis eines synergetischen Projektes. 1946 entstand aus der ehemaligen „(Königlich) Technischen Hochschule zu Berlin“ die Technische Universität, nach dem Willen der britischen Stadtkommandantur, die für Berlin-Charlottenburg zuständig war. Der neue Name ist Sinnträger für eine Ausbildungsstätte, deren Absolventen nicht nur zu Fachleuten für die Realisierung technologischer Vorhaben, sondern zu kritisch denkenden Menschen ausgebildet werden, die auch nach dem Zweck der Vorhaben fragen, für deren Errichtung sie Probleme lösen sollen.
Aus diesem Grunde sollten alle Studiengänge eine Grundausbildung in geistesgeschichtlichen Disziplinen wie Literatur, Kunst oder Musik enthalten; die synergetischen Kräfte eines Studium Generale sollten verhindern, dass die neue TU für die Errichtung einer neuen Kriegsmaschinerie instrumentalisiert werden konnte.

Folkmar Heins dortiges Wirken ab 1974 war von vornherein auf weitere kooperative Projekte ausgerichtet. „Sein“ TU-Studio arbeitete u.A. mit der Akademie der Künste zusammen, mit der HdK (Heute „UdK“) und vor allem mit dem Künstlerprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Auch wenn die verbundenen Institutionen nicht immer gleichmäßiges Interesse zeigten, blieben viele ihrer Mitarbeiter dem Studio stets verbunden. Ab 1982 brachten die vereinten Kräfte das Festival „Inventionen“ hervor, das über 28 Jahre Bestand haben sollte und in diesem Zeitraum zwanzig mal stattfand.
(https://www.inventionen.de).
Obwohl es die „Inventionen“ seit 2011 nicht mehr gibt, haben sie als Begegnungsstätte nachhaltige Spuren hinterlassen.

Das von 1974 bis 2009 von Folkmar Hein geleitete TU-Studio wurde 1996 völlig neu gestaltet und erhielt einen multifunktionalen Charakter. Anders als vergleichbare Einrichtungen konnte der Raum als Produktionsstätte, als Unterrichtsraum oder als kleinerer Konzertraum genutzt werden. Die als Abhörmonitore genutzten Meyer-Lautsprecher konnte man moblisieren und als Beschallungsanlage für Veranstaltungen einsetzen. Eine synergetische Idee, die gut funktioniert hat. Gleichzeitig sicherte dies gewissermaßen das Existenzrecht des Studios, da es inzwischen möglich war, professionelle Audiotechnik auch im eigenen Heim einzusetzen; denn der rasch voranschreitende Fortschritt in der digitalen Audiobearbeitung brachte einen starken Preisverfall mit sich, man konnte jetzt zu Hause elektroakustisch komponieren.
Der Unterschied: Wer im TU-Studio produzierte, konnte darüber hinaus auch eine Veranstaltungssituation auf bis zu 12 Kanälen emulieren, und das in höchster Klangqualität.

Das TU-Studio wurde unter Folkmar Heins Leitung ein Ort vielfältigster Kooperation, nicht zuletzt dadurch, dass er eine Fähigkeit zum Delegieren besitzt. Er verstand es z.B., die zugestandenen Tutorenstellen sehr kompetent zu besetzen, so konnten die zahlreichen Außenveranstaltungen professionell realisiert werden, gleichzeitig erhielten die so eingesetzten Studierenden einen Kontakt „zur Außenwelt“, sie erhielten Berufserfahrung, manchmal lange vor ihrem Studienabschluss. Auf Komponistenseite wusste man den damit verbundenen Service sehr zu schätzen, nicht zuletzt dadurch, dass man die Werke auf höchstem Aufführungsniveau zu präsentieren wusste – in der Elektroakustischen Musik nicht der Regelfall.
Folkmar Hein hat viele Menschen auf einen beruflichen Weg geschickt, der Seitenwege offenlässt und nicht an die Elektroakustische Musik gebunden ist, wohl aber an Einsichten auf gute Kooperation.

Ein ganz wesentlicher (und gewiss der nachhaltigste) Teil seines Lebenswerkes ist die „Internationale Dokumentation Elelektroakustischer Musik“, kurz „EM Doku“, an der er bis heute arbeitet, und die zum Zeitpunkt seines 80.Geburtstags etwa 60.000 Werke aufweist. (https://www.emdoku.de/de). Dazu kommt eine Mediathek mit 6.300 Titeln. Dieses im TU-Studio begonnene Projekt ist mit Hilfe etlicher Mitarbeiter und auch unter Verwendung eigener privater Mittel entstanden und zeugt abermals von Folkmar Heins Geist der Zusammenarbeit, nachzulesen auf der Impressumsseite der EM Doku.

Nach Folkmar Heins Berufsbezeichnung zu fragen, wird nie eine wirklich erschöpfende Antwort nahelegen. Gewiss sind die Bezeichnungen „Tonmeister“ oder „Toningenieur“ nicht falsch. Aber sie benennen Menschen, die eher einer dienenden Tätigkeit nachgehen, ohne wesentliche geistige Eigenbeiträge. Die künstlerische Leistung wird von anderen erbracht, ein Tonmeister bringt sie bestenfalls unverfälscht zur Geltung. Dies wird der Arbeit Folkmar Heins bei Studioproduktionen oder Veranstaltungen nicht gerecht. Er ist selbst ein Musikschaffender. Er hat dem Begriff „Klangregie“ eine Identität verliehen, die eng mit seiner Person verbunden ist. Er selbst schätzt den Terminus „Interpret“ für seine Tätigkeit am Mischpult durchaus. Man konnte sich davon überzeugen, wenn man seine Donnerstagsveranstaltung „Elektroakustische Musik Hören“ im TU Studio besucht hat: Besonders nach dem Umbau von 1996 hat er zahlreiche (auch bekannte) Werke durch seine Klangregie neu erklingen lassen, nicht durch vordergründige Effekthascherei, sondern indem er musikalische Spannungsbögen unterstrichen, betont, illuminiert – eben interpretiert hat. Dies mag daran liegen, dass er seine ersten musikalischen Studien als Cellist bestritten hatte, also als ausübender Musiker, bevor er sich der Elektroakustischen Musik zuwandte. Und so sind die von ihm interpretierten Stücke Aufführungen von großer Lebendigkeit, was nicht wenige der von ihm betreuten Studiogäste bestätigen können.

Ein weiteres Betätigungsfeld Heins ist die Förderung von Protagonisten der Elektroakustischen Musik. Neben von der Bereitschaft, Gäste der von ihm geleiteten Veranstaltungen privat zu beherbergen und zu beköstigen, bot er Schaffenden der elektroakustischen Künste die Möglichkeit, unbürokratisch Geräte aus dem Fundus des TU-Studios zur Verfügung zu stellen, damit neue Kunst entstehen konnte; und er stiftete vor einigen Jahren den „Thomas-Seelig-Fixed-Media-Preis“ für Werke der akusmatischen Musik – Folkmar Hein ist also auch Mäzen im „klassischen Sinne“. Wer weiß, welche Hürden zu überwinden sind, und welcher Aufwand betrieben werden muss, um den Weg von Ausschreibung und Beauftragung eines Werkes bis zu dessen Aufführungsreife zu gehen, weiß auch, dass ein Mäzenat eine berufliche Tätigkeit ist, weit mehr als die Position eines bloßen Geldgebers.

Folkmar Hein hat mit seinen vielfältigen Tätigkeiten die Welt der Elektroakustischen Musik nachhaltig verändert und bereichert. Wenn man nach einer angemessenen Gratulation zum Achzigsten eines Folkmar Hein sucht, so findet man vor allen Dingen, dass wir uns als Beteiligte glücklich schätzen können, dass es einen Folkmar Hein gibt. Sein Wirken als Schaffender in der Elektroakustischen Musik überschreitet stets die Grenzen des allgemein Üblichen und bietet so Kräften, die sonst nie kombiniert worden wären, eine Möglichkeit, zusammen zu wirken. Überraschungen sind bis zum heutigen Tag nie ausgeschlossen.

So gesehen sind die Glückwünsche, die hier von Herzen ausgesprochen werden, stets unvollständig. Welch ein Glück!

Herzlichen Glückwunsch, Folkmar Hein!

(Michael Hoeldke)