[ 13. August 2010 ]

AUSSCHREIBUNG – Kulturgeschichte der Sonifikation

From: Harenberg Michael
Date: August 12, 2010 4:38:45 PM GMT+02:00
Subject: Call: Kulturgeschichte der Sonifikation

Call for Papers

Kulturgeschichte der Sonifikation

3.-4. Dezember 2010

Tagung an der
Hochschule der Künste Bern
Forschungsschwerpunkt Intermedialität
Fellerstrasse 11, CH-3027 Bern

Veranstalter: Dr. Andi Schoon (Hochschule der Künste Bern), Axel
Volmar (Universität Siegen)

Einsendeschluss: 30. September 2010

Mit dem Begriff Sonifikation werden Verfahren zur Verklanglichung von
Daten bezeichnet. Die- ses akustische Pendant zur Visualisierung
entwickelt sich in den Naturwissenschaften, aber auch in den Künsten,
seit fast zwei Jahrzehnten rasant. Weltweit beschäftigen sich
zahlreiche transdisziplinäre Forschergruppen mit der Sonifikation.
Dabei ist ein zunehmendes Bedürfnis entstanden, Fragen nach der
Wissenschaftstheorie, der Ästhetik, dem Vokabular und den Me- thoden
der Sonifikation zu behandeln und ihre historischen Entwicklungslinien
aufzuzeigen.

Zeitgenössische Sonifikationsverfahren sind aus kulturgeschichtlicher
Perspektive wesentlich durch zwei Aspekte gekennzeichnet, die bisher
selten zusammengedacht wurden: Zum einen meint Sonifikation die
Transformation von Unhörbarem in hörbare Phänomene durch den Ein- satz
akustischer Medientechnologie, denn die Speicherung, Reproduktion und
Übertragung von Schall zählen zu ihren Voraussetzungen. Zum anderen
dient sie als Mittel zur Erkenntnisgewin- nung durch konkrete
Praktiken des Hin-, Aus- und Abhörens, bei denen das „geschulte
Ohr“ (in Anlehnung an Daston/Galison 2007) eine zentrale Rolle einnimmt.

Neben der Wissenschaftshistorie sind für eine Kulturgeschichte der
Sonifikation auch Beispiele aus den Bereichen der Nachrichtentechnik,
insbesondere in Bezug auf Navigations- und Ab- hörmethoden, sowie den
Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften relevant, auf deren Betrei-
ben hin sich akustische Prüfverfahren und Prozessüberwachungssysteme
in Fabriken oder Hochsicherheitsumgebungen etabliert haben.

Auch in Musik und Kunst finden sich zahlreiche Beispiele für
Sonifikationen bzw. die Transfor- mation von Bildern in Klang (wie
z.B. bei László Moholy-Nagy, Oskar Fischinger oder Norman McLaren).
Komposition auf Datengrundlage spielt in der gesamten Musikgeschichte
eine Rolle, ohne dass sie jedoch als Sonifikation bezeichnet worden
wäre. Zahlreiche Werke, die in ihrer Zeit unter Stichwörtern wie
Transformation, Analogie, numerisches Spiel oder algorithmische
Komposition firmierten, lassen sich im Rückblick als „Datenmusik“
qualifizieren. Wie aber ist an- gesichts dessen der tatsächliche
Stellenwert von Sonifikationstechniken zu bemessen? Wirft die
„Verklanglichung von Daten“ ein neues oder anderes Licht auf die
Musik- und Kompositionsge- schichte? Welche Beispiele stechen hier
besonders hervor?

Naheliegende Bezüge zur Sonifikation weist das Gebiet der Klangkunst
auf. In der Absicht, die Rezipienten für ihre akustische Umwelt zu
sensibilisieren, beschäftigen sich zahlreiche Künstle- rInnen mit der
klanglichen Repräsentation von Daten und deren Phänomenen: Licht
verwandelt sich in Schall, Klänge verlagern sich aus ihrer gewohnten
in eine andere Umgebung oder gene- rieren sich aus Luftfeuchtigkeits-
oder Temperaturdaten. Stehen diese Arbeiten und deren Klän- ge „für
sich“ oder weisen sie über sich hinaus auf die Bereiche des
Ursprungsmaterials? Dienen solche Übersetzungsprozesse vor allem der
Erschließung neuen Klangmaterials oder schreibt sich auf diese Weise
ein Wissen in die Klänge ein, das zuvor als unzugänglich erschienen
war? Inwieweit und unter welchen Umständen lässt sich Klangkunst
überhaupt als auditive Repräsen- tation (auditory display) verstehen?

Was bedeutet schließlich die wissenschaftliche bzw. künstlerische
Arbeit mit Datenklängen in Anbetracht der Tatsache, dass in den
vergangenen Jahren (etwa im Filmsound- und Produkt- design) erhebliche
Anstrengungen unternommen worden sind, Strategien zur unbewussten
Steuerung von Hörern durch gestaltete Klänge zu formulieren, die
zumeist auf die Erzeugung kalkulierter Reaktionen, Assoziationen und
Lesarten zielen? Dort, wo die Methoden der Sonifi- kation an die
Grenze zum Sounddesign geraten, stellt sich uns das gegebene Thema als
weiter gedachte Frage nach einer „Ästhetik der Verklanglichung“.

Das Ziel der geplanten Tagung besteht in einer breit gefächerten
Aufarbeitung der Geschichte von Sonifikationsverfahren in den
dargestellten Untersuchungsfeldern, die sich zwischen Wis- senschaft,
gesellschaftlicher Praxis und Kunst bewegen. Dabei sollen
charakteristische Merk- male und Möglichkeitsbedingungen der
Sonifikation herausgearbeitet werden. Beiträge aus Kul- tur-, Medien-,
Musik-, Literatur- und Kunstwissenschaft sind dazu ebenso willkommen
wie sol- che aus Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte sowie aus
der künstlerischen Forschung.

Die Vorträge sollten eine Dauer von 25 Minuten nicht überschreiten.
Die Tagungssprache ist Deutsch. Ausgewählte Beiträge werden in der
Buchreihe „Sound Studies“ des transcript Verlags publiziert.

Themenvorschläge (ca. 2.000 Zeichen) bitte bis zum 30.09.2010 per E-
Mail an:

andi.schoon[at]hkb.bfh.ch
und
volmar[at]medienwissenschaft.uni-siegen.de