Von: Martin Supper
Datum: 7. Februar 2011 13:20:59 MEZ
Betreff: Sound Studies Lecture No23
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die nächste Lecture ist am
Montag, den 14. Februar 2011 – 19:00 Uhr
Universität der Künste Berlin
Masterstudiengang Sound Studies
Zentralinstitut für Weiterbildung
Lietzenburger Straße 45 – Raum 314
Berlin-Wilmersdorf
(U3/U9 Spichernstraße)
Mit herzlichen Grüßen
— Prof. Dr. Martin Supper
http://www.udk-berlin.de/soundstudies
Sabine Sanio
Sound Studies oder die Idee der auditiven Kultur
Ästhetische Praxis zwischen Kunst und Wissenschaft
Der Vortrag beschäftigt sich mit dem Konzept des neuen Studiengangs
Sound Studies. Eine Theorie der auditiven Kultur bietet die
Möglichkeit, Bereiche der Alltagskultur, des modernen urbanen Lebens
aus der Perspektive des Hörens und der Klanggestaltung zu beschreiben,
ohne auf traditionelle musikalische Konzepte zurückzugreifen. Doch
eine Theorie der auditiven Kultur muß sich auch mit der aktuellen
Rolle künstlerischer Konzepte innerhalb der Alltagskultur
auseinandersetzen. Diese Frage erweist sich bei näherer Betrachtung
als eine Frage nach dem Verhältnis von ästhetischer und
wissenschaftlicher Praxis.
Man kann darüber streiten, ob der Studiengang Sound Studies als neue
Position innerhalb der Musikwissenschaften oder aber als Ergebnis
einer tiefgreifenden Erweiterung der Musikwissenschaften verstanden
werden muß. Wichtiger als die Beantwortung dieser Frage ist vielleicht
aber die ausdrückliche Hinwendung zu Konzepten und Fragestellungen der
Cultural Studies, die die Sound Studies vollziehen, und die
Veränderung der Perspektive, aus der sie dadurch musikalische und
klangliche Phänomene beschreiben können – dazu gehört die Sensibilität
für spezifische Haltungen und Verhaltensweisen, die sich im Umgang mit
den modernen Geräten der Audiotechnik entwickeln, ebenso wie für
Verhaltensweisen von Musikern – Gesang und Instrumentalspiel
erscheinen nun auch als spezielle Formen der Disziplinierung des
Körpers in der Moderne, Musiker hingegen als Spezialisten dieser
Disziplinierung.
Zu den Themen der Sound Studies gehören jedoch außerdem Bereiche und
Phänomene der Alltagskultur, die mit Musik im traditionellen Sinn
zumindest auf den ersten Blick höchstens indirekt zu tun haben. Um den
Fokus auf diesen Bereich zu lenken, plädiert Sabine Sanio für einen
Begriff der auditiven Kultur, der es erlaubt, Klanggestaltung wie
auditive Erfahrung im Alltag unabhängig von gängigen musikalischen
Konzepten zu beschreiben. Ein weiteres Thema des Vortrags wird die
Frage nach dem Verhältnis von ästhetischer und wissenschaftlicher
Praxis in den Sound Studies sein. Angesichts der im 20. Jahrhundert
vollzogenen Veränderungen im Selbstverständnis der Künste – diese
haben in der jüngsten Vergangenheit ein nachdrückliches Interesse für
die Alltagskultur entwickelt – spricht viel dafür, die Erkundung der
Alltagswirklichkeit als gemeinsames Projekt von Künstlern wie
Wissenschaftlern zu begreifen.
Frau Prof. Dr. Sabine Sanio ist Gastprofessorin für Theorie und
Geschichte der auditiven Kultur am postgradualen Studiengang Sound
Studies der UdK Berlin und leitet auch diesen Bereich. Sabine Sanio,
geboren 1958, studierte Germanistik und Philosophie, Promotion, lebt
in Berlin, seit 1991 zahlreiche Veröffentlichungen, Radiosendungen und
Vorträge zur aktuellen Ästhetik, insbesondere zur Medientheorie, zu
Phänomenen in den Grenzgebieten der Künste sowie zu den Beziehungen
der Künste untereinander, seit 1991 außerdem Mitarbeit bei der
vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Positionen. Beiträge zur
Neuen Musik, 1995-98 Vorsitzende der Berliner Gesellschaft für Neue
Musik (BGNM), 1995-2004 konzeptionelle Mitarbeit beim österreichischen
Festival für neue Musik “Musikprotokoll“, Graz, 2001 bis 2006
Gastprofessorin am Fachbereich Theorie & Geschichte der
Kunsthochschule Berlin-Weißensee, seit 2009 Gastprofessorin für
Theorie und Geschichte der auditiven Kultur beim Masterstudiengang
Sound Studies am ZIW der UdK Berlin.
Umfangreiche Herausgebertätigkeit, unter anderem: (zusammen mit
Christian Scheib) Das Rauschen, Hofheim 1995, Bilder – Verbot und
Verlangen in Kunst und Musik, Saarbrücken 2000, Übertragung – Transfer
– Metapher. Kulturtechniken, ihre Visionen und Obsessionen, Bielefeld
2004; minimalisms, Rezeptionsformen der 90er Jahre (zusammen mit Nina
Möntmann und Christoph Metzger) Stuttgart 1998 sowie zuletzt: Kunst
und Technik in medialen Räumen, Saarbrücken 2010.
Konzeption und Leitung von Kongressen und Vortragsreihen, zuletzt :
Stadtraum – Kontrollverlust: Aneignung und Interaktion, Symposium
(Abschlußveranstaltung des Interdisziplinären Studiengangs der
Kunsthochschule Berlin-Weißensee am 8. und 9. Juli 2005, Konzeption
und Leitung zusammen mit Stefka Ammon); Räume der Musik (Kolloquium
des Europäischen Zentrums der Künste Dresden-Hellerau im Rahmen der
19. Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik, 6.-8. Oktober 2005
Konzeption und Leitung zusammen mit Marion Demuth), Kunst und Technik
in medialen Räumen – wissenschaftliches Programm der Sommeruniversität
2006 der Hans Böckler Stiftung (12. bis 14. September 2006 Konzeption
und Leitung zusammen mit Wolfgang Nitsche)
Zahlreiche Veröffentlichungen, Radiosendungen und Vorträge zur neuen
Musik, zum Verhältnis von Kunst und Medien sowie zur Ästhetik des 20.
Jahrhunderts, in Buchform: Alternativen zur Werkästhetik (Saarbrücken
1999) sowie: 1968 und die Avantgarde. Politisch-ästhetische
Wechselwirkungen in der westlichen Welt (Sinzig 2008) sowie zuletzt:
Aspekte einer Theorie der auditiven Kultur. Ästhetische Praxis
zwischen Kunst und Wissenschaft, erschienen im Internet bei
kunsttexte.de
Was sind Sound Studies Lectures?
Die öffentlichen Sound Studies Lectures geben einen Einblick in die
künstlerischen, wissenschaftlichen, gestalterischen und konzeptuellen
Fragestellungen des postgradualen Masterstudiengangs Sound Studies.
Der Studiengang Sound Studies verfolgt die Idee eines
fachübergreifenden und damit fächerverbindenden Studiums des Klangs.
Ein Studium jenseits eines Musikstudiums, das aber dennoch die Musik
nicht ausschließt, ist neu und einzigartig. Der Begriff Sound Studies
ist angelehnt an den mittlerweile etablierten Terminus Cultural Studies.
Die Ausbildung befähigt die Studierenden, vorliegende Klangumgebungen
medialer, architektonischer, urbanistischer oder werblicher Art
wahrzunehmen, zu beschreiben, zu analysieren und zu beurteilen sowie
akustische Interventionen, Modifikationen und Transformationen einer
solchen Klangumgebung in einer akustischen Konzeption bzw. einem Sound
Briefing fundiert umzusetzen.
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