[ 19. Mai 2016 ]

BERLIN: Unerhörte Musik | Newsletter | 2016 | Nr. 11

From: Unerhörte Musik

Subject: Unerhörte Musik – Newsletter – 2016 . Nr. 11

„Musik.Sie legt sich auf und geht unter die Haut, in den Bauch,

in den Kopf, ins Rückenmark. Sie wirkt im besten Sinne und Falle

subversiv, ist ein spitzer Stachel und hält die Entzündung wach,

die bestehenden Verhältnisse zu ändern. Sehnsucht zu

provozieren. Sie ist Treibstoff für eine produktive

Untröstlichkeit. Und vor allem ist sie auch immer das, was sie

nicht ist.“ (Helmut Oehring)

Nach dem erfolgreichen Auftritt im BKA CLUB Konzert Chambre Alchimiste

im April 2015 hat der in Berlin lebende britische Künstler und Musiker

Infinite Livez (vocals und electronics) nun Carte blanche bekommen.

Für das CLUB Konzert am jetzigen Freitag, 20. Mai, 23:30 Uhr hat er den

Titel Moortal Kombat gewählt und den amerikanischen Gitarristen und

Schlagzeuger Jean-Paul Bourelly eingeladen, der bereits mit Miles Davis,

Marc Ribot, Steve Coleman u.a. zusammen arbeitete und heute in Berlin lebt.

Beide Musiker werden ein improvisiertes Set spielen, „…proved to be an

exciting blend of free jazz, blues and Psychedelia, all with a

infectious Hip Hip groove“.

Im 2. Teil folgt ein ein Solo Set von Infinite Livez, kombiniert mit

seinen eigenen Video-Animationen.

Wir freuen uns, dass nach längerer Zeit, wieder das Ensemble KNM Berlin

in der Unerhörten Musik zu Gast ist:

für Ma.S. heißt das Programm am kommenden Dienstag, 24. Mai.

„Wissenschaftliches Denken und künstlerischer Ausdruck finden bei Marco

Stroppa zu einer selbstverständlichen und natürlichen Einheit wie kaum

bei einem zweiten Komponisten. Die umfassenden Erfahrungen mit dem

computergestützten Komponieren bilden die Grundfolie seiner Werke, die

häufig von poetischen Texten, einem umsichtigen Engagement in

ökologischen Fragen und sozialpolitischen Belangen oder persönlichen

Künstlerkontakten inspiriert sind.

Auch die beiden im Programm stehenden Werke beziehen sich auf

Künstlerfreunde oder deren Arbeiten. In „Osja“ werden emblematisch zwei

Gedichte des russischen Autors Joseph Brodsky verwendet und die „Hommage

à Gy.K.“ ehrt den Komponistenkollegen György Kurtàg auf faszinierende

Art: sie basiert auf Kurtags Werk „Hommage à R. Sch.“, das wiederum auf

Robert Schumanns Märchenerzählungen op. 132 beruht. Es eröffnet sich

also ein kompositorischer Kosmos aus Bezügen und Anspielungen.

Sven Ingo Kochs „Hommages – Vier kleine Stücke“ stellen dagegen eine

Ausnahme in seinem Schaffen dar. Sie folgen zwar den Spuren der großen

Tradition der deutschen Romantik, benutzen aber gleichzeitig die

expressive Sprache des 21. Jahrhunderts.

„Limun“, ein immerblühender Zitronenbaum, gab dem Duo für Violine und

Viola mit zwei Seitenwendern von Clara Iannotta seinen Namen. Mit

sensiblen Mitteln dehnt sie in diesem filigranen Werk den Rahmen der

Kammermusik, indem die Notenblätterer auch musikalische Aufgaben

übernehmen. Die Idee der erweiterten Kammermusik finden wir auch in

„Osja“ von Marco Stroppa wieder: die Musiker wechseln zu jedem Satz ihre

Sitzposition.

Die „Arbeit am Detail und das spontane Entdecken von neuen Momenten

inklusive neuer formaler Möglichkeiten“ sind für Johannes Boris Borowski

wichtige Momente beim Komponieren. Die Interpretation seines

Klaviertrios, das sich mit der Veränderung von Identität befasst,

vervollständigt den Blick des Ensembles KNM Berlin auf die heutige

Kammermusik.“/

Einführung in das Programm um 19:45.

Am Dienstag, 31. Mai dann musiziert das Duo „Im Goldrausch“ mit Sabina

Matthus-Bébié, Klarinette, Bassklarinette und Felix Kroll, Akkordeon

sein Programm Come not near.

Beide Musiker waren in anderen Besetzungen bereits Gast in unserer Reihe

und haben sich im Duo zusammengefunden weil /“… Klarinette und

Akkordeon sich perfekt ergänzen und zu einer einheitlichen, ganz eigenen

Klangfarbe verschmelzen können.“ /

Es erklingen Werke von Isabel Mundry, Toshio Hosokawa, Helmut Oehring,

Helmut Zapf, Mayako Kubo und Iris ter Schiphorst.

Inhalt

Dienstag, 24. Mai | Ensemble KNM Berlin

Dienstag, 31. Mai | Duo „Im Goldrausch“

Dienstag, 24. Mai 2016 | 20:30 Uhr | Ensemble KNM Berlin

Ensemble KNM Berlin

Horia Dumitrache, Klarinette

Frank Gutschmidt, Klavier

Theodor Flindell, Violine

Kirstin Maria Pientka, Viola

Ringela Riemke, Violoncello

Einführung um 19:45 Uhr

Marco Stroppa

Hommage à Gy.K. (1997-2003, 2013)

für Klarinette, Viola und Klavier

1 Sehr flüssig

2 Schwerfällig, drohend

3 Sinuoso, semplice

4 Ravvivato

5 Prestissimo individualista, soit chacun pour soi, ou presque…

6 Inerme, ingenuo, incauto

7 Lento silente e febbrile

1987 gründete Marco Stroppa anlässlich des internationalen

Bartók Seminars im ungarischen Szombathely eine Werkstatt

für Komposition und Musikinformatik, die er dreizehn Jahre

lang leitete. Dieses jahrelange pädagogische Engagement

führte nicht nur zu einer tiefen Kenntnis der ungarischen

Kultur- und Musikszene sondern selbstverständlich auch zu

persönlichen Kontakten und Freundschaften zu ungarischen

Musikern und Intellektuellen. Gleich mehrere Werke Stroppas

spiegeln diese intensive Erfahrung wieder.

Das siebensätzige Werk „Hommage à Gy.K.“ ehrt den

Komponistenkollegen György Kurtàg, den Meister der

kompositorischen Miniatur und der musikalischen

Anspielungen: es basiert auf Kurtags Werk „Hommage à R.

Sch.“, das wiederum auf Robert Schumanns Märchenerzählungen

op. 132 beruht.

Gleichwohl werden die musikalischen Zitate kaum hörbar. Auf

die Frage, wie viel Schumann, Kurtàg oder Stroppa in diesem

Stück enthalten sei, antwortete er: mehr als 95 Prozent

Stroppa.

Marco Stroppa, geboren 1959 in Verona, Italien studierte

zunächst in Italien Klavier, Komposition, Chorleitung und

Elektronische Musik. Zwischen 1980 und 1984 arbeitete er mit

dem Computerklangforschungszentrum der Universität Padua

zusammen. In den Jahren 1984 bis 1986 folgte ein Aufenthalt

am Massachusetts Institute of Technology in den USA. Hier

studierte er Kognitive Psychologie, Informatik und

Künstliche Intelligenz.

Auf Einladung von Pierre Boulez zog er 1982 nach Paris, wo

er von 1987 bis 1990 die Abteilung für musikalische

Forschung am IRCAM leitete. Im Sommer des gleichen Jahres

war er unter den Komponisten der Next Generation bei den

Salzburger Festspielen. Stroppa unterrichtete seit 1984 am

IRCAM. Im Jahre 1987 gründete er den Kompositions- und

Computermusikkurs beim Internationalen Bartók Festival in

Szombathely (Ungarn). Nach einer Lehrtätigkeit am

Conservatoire National Supérieur von Lyon und Paris ist er

seit 1999 Professor für Komposition an der Musikhochschule

Stuttgart. Er beschäftigt sich sowohl mit Computermusik als

auch mit Instrumentalkompositionen in Verbindung mit

Live-Elektronik.

Sven-Ingo Koch

Hommages – Vier kleine Stücke (2008)

für Klarinette und Klavier

Bald nach Beginn der Arbeit an meinen vier kleinen Stücken

für Klarinette und Klavier, die auf Bitte Chen Halevis sich

in irgendeiner Form mit Alban Bergs Vier Stücken für

Klarinette und Klavier auseinander setzen sollten, bemerkte

ich, dass meine Stücke nicht nur eine Art Hommage à Berg

darstellen würden, sondern dass es sich außerdem um eine

kleine Sammlung verborgener „Verneigungen“ vor mehreren

Komponisten, die während des Schaffensprozesses für mich

wichtig waren, handeln würde: Kleine Momente von Schubert,

Schumann und Rameau, vielleicht auch Ligeti waren

inspirierende Ausgangspunkte für meine eigenen

„Materialentwicklungen“, die aber eben keineswegs

Variationen jener Momente bilden.

Entsprechend war die Idee auch nicht, die Spuren zu diesen

Vorbildern zu enthüllen, sondern viel eher, sie zu

verstecken und sie in neue Umgebungen einzubetten, die sie

formen und aus denen ihre „Bedeutung“ erst entsteht. Ein

espressives Spiel der Verküpfungen und Umdeutungen zwischen

Klarinette und Klavier eröffnet die Perspektiven des

Materials. Dabei agieren die beiden Solisten teilweise
zeitlich unabhängig voneinander. Jeder folgt der eigenen

Linie, der eigenen Musik. Zu formal fokalen Momenten finden

die einzelnen Ebenen der Musiker jedoch wieder zueinander.

Meine Hommages entstanden als gemeinsamer Auftrag von

ClaRecords, Chen Halevi und der Konzertgesellschaft Schwerte

während eines Aufenthaltes auf Schloss Solitude bei Stuttgart.

Sven-Ingo Koch

Sven-Ingo Koch Studien der Komposition in Essen, San Diego und

Stanford, u.a. bei Nicolaus A. Huber, Roger Reynolds und

Brian Ferneyhough, der Computer-Komposition am ICEM bei Dirk

Reith; außerdem des Klavierspiels und der Musikwissenschaft.

Zutiefst geprägt auch durch den aus diesen Studien

resultierenden Kalifornien-Aufenthalt (1999-2003) und das Leben dort,

ermöglicht durch Stipendien des DAAD und der Stanford University.

2002-03 in Stanford Lehrauftrag für

Komposition als Assistent Brian Ferneyhoughs. Seit Juli 2003

lebt Sven-Ingo Koch mit seiner Lebenspartnerin, der

Komponistin Yasuko Yamaguchi wieder in Deutschland.

Neben Aufführungen durch große Orchester wie das

Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, das

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und das Tokyo

Symphony Orchestra wird Sven-Ingo Kochs Musik regelmässig

von Ensembles wie dem Ensemble Modern, der Musikfabrik, dem

Klangforum Wien, dem Ensemble Resonanz, dem Ensemble Recherche, den

Neuen Vocalsolisten oder dem Auryn, dem Sonar

und dem Vogler Quartett und Solisten wie Chen Halevi, Pascal

Gallois, Dirk Rothbrust und Jean-Guihen Queyras aufgeführt.

Für das Ensemble Ascolta entstanden Musiken zu

abstrakt-experimentellen Filmen der 1920er Jahre von Walter

Ruttmann, die wiederholt auch im Fernsehen ausgestrahlt wurden.

Zahlreiche Preise, u.a. Folkwangpreis 1999, Stuttgarter

Kompositionspreis 2003, Elisabeth-Schneider-Preis 2005 und

Düsseldorfer Musikförderpreis 2006. Ferner das

Jahresstipendium der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR 2004,

das Stipendium des Künstlerhofes Schreyahn 2005, das

Stipendium von Schloss Solitude 2007 und das EHF-Stipendium

der Konrad-Adenauer-Stiftung. 2008 Gastkünstler am ZKM und

ebenfalls 2008 ein mehrmonatiger Venedigaufenthalt als Stipendiat des

Kulturstaatsministers. 2011 ein Jahr als

Stipendiat der Villa Massimo in Rom, 2014 ein

Istanbul-Aufenthalt, ermöglicht durch die Kunststiftung NRW,

2015 Stipendiat der Casa Baldi in Italien.

Johannes Boris Borowski

Klaviertrio 2013

Sein Klaviertrio hat Johannes Boris Borowski für das Trio

Steuermann geschrieben, das es 2013 im Maison Heinrich Heine

in Paris zur Uraufführung brachte. Die Besetzung mit den

unterschiedlichen Artikulationsmöglichkeiten der Streicher

und des Klaviers hat ihn vor allem gereizt. Das einsätzige

Werk besteht aus zwei Hälften und behandelt die Veränderung

von Identität: Im ersten Teil etablieren sich bestimmte

Details und werden in ihrem Verhältnis zueinander

austariert, im zweiten Teil verändert sich der harmonische

Kontext und dieselben Elemente erscheinen nun in einem

völlig neuen Licht und verlieren sich in gewisser Weise. Der

Komponist vergleicht diese Entwicklung mit Personen, die in

unterschiedlichen Situationen andere Rollen annehmen können.

In einem Interview im Umfeld der Uraufführung 2013 hat

Johannes Borowski dies näher erläutert: „Der erste Teil

konzentriert sich auf die Details, Elemente, Objekte und

Motive mit dem Ziel der Verbindung und Trennung, der

Entwicklung und Transformation auf unterschiedlichen Ebenen.

(…) Im zweiten Teil geschieht genau das Gegenteil: hier wird

das Verlieren von Details oder sogar das ,sich selbst

Verlieren‘ in den Details gezeigt, was durch einen sehr

klaren harmonischen Prozess ermöglicht wird. Diese

Intervallsequenz ist so stark im Vordergrund, dass die

einzelnen Elemente nicht mehr die Kraft haben, etwas zu

entwickeln oder zu verändern. (…) Man kann dies mit einer

Situation außerhalb der Musik vergleichen: dieselben Leute

sind plötzlich nicht mehr dieselben, wenn sich plötzlich der

Kontext ändert.“ Während der Komposition des Klaviertrios

hat Johannes Boris Borowski darüber hinaus einige

assoziative Gedanken zum Stück formuliert: „Trotz

großformaler Strategien, Referenzpunkte, Vernetzungen,

globalerer Prozesse etc. bleiben die Arbeit am Detail und

das spontane Entdecken von neuen Momenten inklusive neuer

formaler Möglichkeiten eines der wichtigsten Momente beim

Komponieren. / Versuch, die Offenheit gegenüber dem Moment

zu bewahren und trotzdem eine nachvollziehbare und v.a.

interessante, spannende Form zu finden. „Tagebuchform“:

ein Tagebuch bezieht sich auch immer wieder auf einen

„durchgehenden“ Kontext, es verweist also auf eine relativestabile,

nachvollziehbare Form/Zeitablauf – und entzieht

sich diesem gleichzeitig. Ich kann heute noch nicht

wissen, was ich morgen schreibe – meine Möglichkeiten sind

begrenzt – ich kann nicht ständig Neues erfinden (im Sinne

von neuem Material) sondern: das Neue entwickelt sich aus

einem Material heraus. Natürlich ist nicht jedes Material

gleich geeignet, die Materialfrage also nicht beliebig, das

Interesse an der Komposition wird aber nicht durch das

Material in erster Linie gesteuert.“ (Eckhard Weber)

Johannes Boris Borowski wurde 1979 in Hof geboren. Er

studierte Komposition bei Hanspeter Kyburz in Berlin und

Marco Stroppa in Paris sowie Musiktheorie bei Jörg Mainka in

Berlin. 2007 – 2014 unterrichtete er Tonsatz, Gehörbildung,

Analyse und Instrumentation an der Hochschule für Musik

Hanns Eisler Berlin. Seine Kompositionen werden im In- und

Ausland gespielt, darunter von bedeutenden Ensembles und

Orchestern wie dem Ensemble Intercontemporain, Ensemble

Modern, International Contemporary Ensemble, Radio

Sinfonieorchester Stuttgart, Chicago Symphony Orchestra,

Lucerne Festival Academy Orchestra und Dirigenten wie u.a.

Pierre Boulez, Susanna Mälkki, George Benjamin, Peter Eötvös

und Daniel Barenboim.

Seine Werke wurden mehrfach mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit

dem Hanns-Eisler-Preis Berlin und dem Kompositionpreis der

Landeshauptstadt Stuttgart. Borowski war u.a. Stipendiat an

der Cité Internationale des Arts in Paris (2007), auf

Schloss Wiepersdorf (2011) und Baldreit-Stipendiat in

Baden-Baden (2012).

Clara Iannotta

Limun(2011)

for violin, viola and two page turner

Das Stück entstand als Teil des „Voix nouvelles“ Programms

der Fondation Royaumont und ist Barbara Maurer und Melise

Mellinger vom ensemble recherche gewidmet. Limun ist ein

Zitronenbaum, der kontinuierlich blüht. So trägt er

gleichzeitig Blüten, unreife und reife Früchte. Der Titel

ist symbolisch gemeint und beschreibt nicht das Stück

sondern vielmehr meine Lebensperiode, in der das Stück

entstand. (Clara Iannotta)

Clara Iannotta, 1983 in Rom geboren, begann ihre

musikalische Laufbahn am Conservatorio Santa Cecilia in Rom,

wo sie Flöte studierte, bevor sie ein Kompositionsstudium

begann.

Immer wieder waren und sind es vor allem die persönlichen

Begegnungen, so mit Alessandro Sobiati in Mailand, mit Yan

Maresz am IRCAM, mit Franck Bedrossian oder Steven Takasugi,

aus denen sie Gewinn für ihr eigenes kompositorisches

Fortkommen zieht.

Seit 2007 baut sie ein Oeuvre auf und jede neue Komposition

ist für sie immer auch ein Experimentierfeld, um die eigene

musikalische Sprache zu präzisieren. Al di là del bianco für

Bassklarinette und Streichtrio (2009), Il Colore dell’ombra

für Klavier Trio (2010), Limun für Violine, Viola und 2

Umblätterer (2011), Aphones für 17 Musiker (2011), Clangs

für Celle und 15 Musiker (2012), Glockengießerei für Cello

und Elektronik (2012), D’Après für 7 Musiker (2012) – auch

wenn es die Titel ihrer Werke zuweilen nahe legen, sie sind

mitnichten Wegweiser, die die Richtung für das Ohr vorgeben.

Wenn überhaupt, markieren sie bestimmte Lebensphasen oder

Lebensumstände, in denen die Werke entstanden sind. Wohl

aber ist den Kompositionen Iannottas eine bestimmte

„Theatralität“ eigen. Theatralität, die die Körperlichkeit

des Klanges, seine innere Bewegtheit, seine
Erregungszustände, seine instrumentalen Genese aus der

Stille heraus meint und die ihn nicht losgelöst von der

Geste, die ihn hervorbringt und der Inszenierung im Kontext

eines jeweils unterschiedlichen instrumentalen Gefüges

betrachtet. So sind ihre Partituren voll von minutiösen

Spielanweisungen, angefangen von Anweisungen wie die

Instrumenten zu präparieren sind, wie Gegenständen wie

Stricknadeln, Musikboxen, Klebestreifen u.v.a.m. zur

Erweiterung des Klanges zu benutzen sind bis hin zur

detaillierten Auskomposition des Geigenbogenspiels. Die

Partituren wirken wie Choreografien, nach denen die Klänge

in den Aufführungen von den Instrumentalisten buchstäblich

geformt und zum Leben erweckt werden. (Barbara Barthelmes)

Marco Stroppa

Osja (2005/2008)

Seven Strophes for a Litery Drone

für Klavier, Violine und Violoncello

1 Hushed, hunching (traslucido)

2 Dim (erratico)

3 On my right, on my left (fugacissimo)

4 Raw (lento atarassico)

5 Hiding, heightened (alacre)

6 Spins and whirls (intraprendente)

7 Monument (turgido, imponente)

Der Titel des Klaviertrios ist eine Referenz an den

russischen Dichter und Nobelpreisträger Joseph Brodsky, der

im Bekanntenkreis Osja genannt wurde. Der Untertitel bezieht

sich auf den kritischen Artikel „A Litary Drone“ von Brodzky

aus dem Jahr 1963, für den er mit Gefängnis und Haft in

einem Arbeitslager bestraft wurde. Weiterhin beeinflussten

zwei Gedichte Brodskys das Werk. In „Sieben Strophen“

portraitiert ein blinder Mann eine Frau und das Poem

„Monument“ errichtet ein Denkmal der Lüge. Den sieben

musikalischen Sätzen oder Strophen stehen mit Ausnahme des

letzen emblematisch Zitate aus „Sieben Strophen“ voran. In

jedem Satz wechseln die Musiker ihr Sitzpositionen, was zu

jeweils neuen räumlichen Konfigurationen führt. Gleichzeitig

wird so der Klang der Instrumente auf natürliche Weise

gefiltert, maskiert und re-interpretiert.

Das Ensemble KNM Berlin steht für die lebendige, aktuelle Musikszene der

Metropole Berlin.

1988 von Juliane Klein, Thomas Bruns und weiteren Studenten der

Hochschule für Musik Hanns Eisler im damaligen Ostteil der Stadt

gegründet, wird es heute von zehn Musikerpersönlichkeiten aus

Deutschland, Großbritannien, der Schweiz und Ungarn geprägt.

Weltweit präsentiert das Ensemble Kompositionen, Konzertinstallationen

und Konzertprojekte, die in enger Kooperation mit Komponisten, Autoren,

Dirigenten, Künstlern und Regisseuren entstehen. Getragen werden die

Programme von der Neugier auf das Unbekannte, von der Auseinandersetzung

mit den wesentlichen Themen unserer Gegenwart. Seit seiner Gründung hat

das Ensemble mehr als eintausend Konzerte realisiert.

International bekannt wurde das KNM Berlin nicht nur durch seine

wiederholten Gastspiele auf den wichtigen europäischen Musikfestivals

wie ars musica Brüssel, den Donaueschinger Musiktagen, dem Festival

d’Automne à Paris, Les Musiques Marseille, der Maerz-Musik, musica

Strasbourg, settembre musica Torino, dem UltraSchall – Festival für neue

Musik, den Wiener Festwochen oder Wien Modern, sondern auch durch seine

Eigenproduktionen wie „HouseMusik“, „space+place“, „KNM New Music Spa“,

„Das Stereoskop der Einzelgänger“ oder auch „Clang Cut Book“.

Konzertreisen führten das KNM unter anderem an das Teatro Colon (Buenos

Aires), die Carnegie Hall (NYC), die National Concert Hall Taipei oder

das Wiener Konzerthaus.

2011 und 2012 erregte das KNM mit gleichermaßen ambitionierten als auch

überraschenden Projektideen Aufsehen: In mehr als 30 stadtweiten „lunch

& after work“ Konzerten eröffnete das Ensemble ein Panorama des

internationalen Komponierens in Berlin und mit der Audiotour „Gehörte

Stadt“ lud es kontinuierlich zu akustischen Stadtführungen ein. 2012 und

2013 portraitierte das Ensemble weiterhin die französische Musikszene in

17 Konzerten im Institut français Berlin. Im Herbst 2015 eröffnet das

KNM die Konzertreihe Pol(s)ka mit einem Fokus auf die zeitgenössische

Musik in Polen.

Das KNM Berlin wurde 2013/15 von der Akademie Opus XXI nach Villeneuve

lez Avignon (Frankreich) und Salem (Deutschland) verpflichtet, um dort

mit jungen Komponisten und Interpreten zu arbeiten.

Die Diskographie des Ensembles umfasst bisher 15 CDs. 2009 und 2010

wurde das KNM mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik für die

Zusammenarbeit mit dem Komponisten Beat Furrer ausgezeichnet.

http://www.kammerensemble.de

Dienstag, 31. Mai 2016 | 20:30 Uhr | Duo „Im Goldrausch“

Duo „Im Goldrausch“

Sabina Matthus-Bébié, Klarinette, Bassklarinette

Felix Kroll, Akkordeon

Come not near

Iris ter Schiphorst

Miniaturen (2008)

für Klarinette und Akkordeon

In meiner Jugend war ich ein großer Schumann-Fan, Werke wie

‘Carneval’, ‘Kreisleriana’ oder auch ‘Papillions’

gehörten (und gehören!) zu meinen Lieblingsstücken.

Fasziniert hat mich u. a. ihre Form, diese kurzen aneinander

gereihten expressiven Stücke, die doch zusammen gehören. Die

‘Miniaturen für Klarinette und Akkordeon’ sind von dieser

‘alten Liebe’ inspiriert …

Die Liebe zum Akkordeon wurde durch den finnischen

Akkordeonisten Janne Rättyä angefacht, den ich vor vielen

Jahren durch einen großen Zufall kennen gelernt habe. Sein

Spielen hat mich sofort total begeistert -; ich war mir bis

zu dieser Begegnung überhaupt nicht bewußt, was für

wunderbare Möglichkeiten das Instrument ‘Akkordeon’ in sich

birgt. Janne war es auch, der mich zu meinem ersten

Solo-Akkordeonstück inspiriert hat … ‘Miniaturen für

Klarinette und Akkordeon’ verdanken sich einem

Kompositionsauftrag der Klangwerkstatt Kreuzberg (Berlin)

und wurden ursprünglich geschrieben für das Duo Nancy Laufer

und Jürgen Kupke.

Iris ter Schiphorst wurde in Hamburg geboren. Nach ihrer

Ausbildung zur Pianisten und reger Konzerttätigkeit reiste

sie 2 Jahre durch die Welt. Zurück in Deutschland studierte

sie Theater-, Kulturwissenschaften und Philosophie in Berlin

und besuchte Seminare bei Dieter Schnebel, Luigi Nono und

Helga de la Motte. Gleichzeitig befasste sie sich intensiv

mit elektronischer Musik und Sample-Techniken und gewann

1992 den ersten Preis des dritten Kompositionswettbewerbs

für Synthesizer- und Computermusik. 1990 gründete sie das

elektro-akustische Ensemble intrors, mit dem sie 1997

Preisträgerin des internationalen Kompositionswettbewerbs

BLAUE BRÜCKE wurde. In den Jahren 1996-2001 verband sie eine

intensive Zusammenarbeit mit dem Komponisten Helmut Oehring,

aus der zahlreiche Kompositionen hervorgegangen sind. Iris

ter Schiphorst erhielt zahlreiche Auszeichnungen und

Stipendien. 2004 war sie Artist in Residence auf dem

Künstlerinnenhof ‚Die Höge‘. Ihr vielbeachtes Orchsterstück

‘Ballade für Orchester:Hundert Komma Null’ erhielt im Jahr

2001 eine Nominierung für den Prix Italia, ihr Ensemblestück

‚Zerstören‘ (UA in Witten, 2006) wurde für die World Music

Days 2007 in Hongkong nominiert. Beim Internationalen

Komponistinnenwettbewerb 2008 ist ihr Duo ‘Miniaturen für

Cello und Akkordeon’ mit dem Sonderpreis der Jury

ausgezeichnet worden.

2009 wurde sie für den Deutschen Musikautorenpreis in der

Kategorie ‘Sinfonik’ nominiert. Ihr Orchesterwerk

‘Dislokationen’ kam in die Endauswahl des Rostrum of

Composers und wurde weltweit mehr als 32 gesendet. Sie ist

eine der Preisträger des ad libitum

Kompositionswettbewerbs 2011. Seit 2013 ist sie Mitglied der

Akademie der Künste Berlin.2015 erhielt sie den Heidelberger

Künstlerinnenpreis. Aktuell ist sie Stipendiatin der Villa

Concordia in Bamberg.

Ihr Werkverzeichnis umfasst alle Gattungen, darunter 8 große

Orchesterwerke, die von namhaften Orchestern im In- und

Ausland zur Uraufführung gelangten (u.a. Sinfonieorchester

des Bayerischen Rundfunks, Deutsches Sinfonie-Orchester

Berlin, Rundfunk-Sinfonie-Orchester

Berlin, WDR-Sinfonieorchester, BBC – Symphony Orchestra

London, BBC – Symphony Orchestra Glasgow), sowie mehrere

abendfüllende Musiktheaterwerke und diverse Filmmusiken und
schließt seit den späten 80iger Jahren auch eine ganze Reihe

multi-medialer Arbeiten mit ein. Ihre vielbeachtete

Kinderoper ‚Die Gänsemagd’ (2009) wurde mit großem Erfolg in

Wien und Berlin und seit letzter Saison in der Oper Zürich

aufgeführt. Ihre Musik zu dem Kinderbuchbestseller ‚Der

Grüffelo’ (2010/11 mit St. Lienenkämper), von den

Hans-Wurst-Nachfahren in Berlin für die Bühne adaptiert und

vom Scharoun-Ensemble in der Berliner Philharmonie

uraufgeführt ist bereits seit mehreren Spielzeiten

erfolgreicher Bestandteil der Kindertheaterszene.

Ihre Haltung zum Komponieren und ihre Auffassung von Musik

wurde entscheidend geprägt durch langjährige Erfahrungen als

Musikerin (zunächst im klassischen Bereich als Pianistin,

später als Bassistin, Schlagzeugerin, Keyboarderin und

Tontechnikerin in unterschiedlichsten Rock- und

Popformationen). Ihre Werke wurden u.a. uraufgeführt auf

Festivals in Donaueschingen, Witten, Helsinki, Paris

(Festival d’automne), München (musica viva), auf der Expo

(2000), dem Europäischen Musikmonat Basel, in Glasgow, der

Dokumenta, Bielefeld (‚visible music‘ ), ‚festival

rendez-vous musique nouvelle‘ Forbach,

Klangwerkstatt‘-Berlin, Stockholm, Köln (‚Forum neuer Musik

‘ und ‘Musik der Zeit’), Amsterdam, Porto, London, New York,

Zürich, Buenos Aires. Zur Zeit lehrt sie Komposition an der

Universität der Künste Berlin und betreut dort die Reihe

‘Neue Musik im Diskurs’ des Instituts für Neue Musik

Klangzeitort.

Toshio Hosokawa

In die Tiefe der Zeit (2001)

für Klarinette/Bassklarinette und Klavier

Ein Ton entsteht, wird intensiver und verschwindet,

vergleichbar mit dem Rhythmus des Werdens und Vergehens in

der Natur, dem Atmen der Lebewesen oder den Meereswellen.

Dem japanischen Komponisten Toshio Hosokawa ist es wichtig,

sich tief in den Ton hineinzuversenken, „vertikal“ die

„Landschaft“ eines bestimmten Klanges in all ihren Farben

und Schattierungen zu ertasten. Der Komponist verwebt auf

einzigartige Weise Musik und Natur, östliche und westliche

Philosophie ineinander. Im 1994 komponierten „Die Tiefe der

Zeit“ symbolisiert das Cello das männliche Prinzip, das

Akkordeon das weibliche sowie die Streicher das Universum,

die Luft und die Wolken.

Toshio Hosokawa wurde 1955 in Hiroshima geboren. Nach ersten

Klavier-und Kompositionsstudien in Tokyo kam er 1976 nach

Berlin, um an der Hochschule der Künste bei Isang Yun

Komposition zu studieren. Von 1983 bis 1986 setzte er seine

Ausbildung an der Hochschule für Musik in Freiburg bei Klaus

Huber fort. 1980 nahm er erstmalig an den Internationalen

Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt teil, wo einige

seiner Werke aufgeführt wurden. Ab 1990 kehrte er regelmäßig

als Dozent nach Darmstadt zurück. In den Folgejahren wuchs

das Ansehen des japanischen Komponisten in der

internationalen zeitgenössischen Musikszene kontinuierlich;

Hosokawa erhielt zahlreiche Kompositionsaufträge. Von 1989

bis 1998 organisierte der Komponist als Künstlerischer

Direktor das jährlich stattfindende, von ihm mitbegründete

Akiyoshidai International Contemporary Music Seminar und

Festival in Yamagushi. Seit 2001 ist er musikalischer Leiter

des ebenfalls in Japan stattfindenden Takefu International

Music Festival in Fukuj. 2004 wurde er als ständiger

Gastprofessor ans Tokyo College of Music berufen. Hosokawa

lebt in Nagano, Japan, und in Mainz, Deutschland. In dem

Oratorium Voiceless voice in Hiroshima (1989/2000-01) für

Solisten, Erzähler, Chor, Zuspielband (ad lib.) und

Orchester setzt sich Hosokawa mit dem folgenschweren

Bombenabwurf über seiner Heimatstadt Ende des Zweiten

Weltkriegs auseinander. Unter dem Eindruck der Tsunami- und

anschließenden Atomkatastrophe in Japan im März 2011

entstand die Oper Stilles Meer.

Mit Visions of Lear wurde 1998 bei der Münchener Biennale

die erste Oper des Komponisten aufgeführt. Hosokawas zweite

Oper, kam 2004 beim Festival Aix-en-Provence auf die

Bühne.Seine dritte Oper, Matsukaze, feierte 2011 am

Opernhaus La Monnaie in Brüssel Premiere (Inszenierung:

Sasha Waltz).

Hosokawa erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise: den

Irino Preis für Junge Komponisten, den ersten Preis des

Kompositionswettbewerbs anlässlich des 100. Geburtstags des

Berliner Philharmonischen Orchesters (beide 1982), den Arion

Musikpreis (1984), den Kompositionspreis der jungen

Generation in Europa (1985), den Kyoto Musikpreis (1988) und

1998 den Rheingau Musikpreis sowie den Duisburger

Musikpreis. Von 1998 bis 2007 war er Composer in Residence

beim Tokyo Symphony Orchestra. 2001 wurde Hosokawa zum

Mitglied der Akademie der Künste in Berlin ernannt. 2006/07

und 2008/09 absolvierte er einen Forschungsaufenthalt am

Wissenschaftskolleg in Berlin. Composer in Residence war er

bei der Biennale di Venezia (1995, 2001), der

Internationalen Sommerakademie der Hochschule Mozarteum

Salzburg (1998), den Internationalen Musikfestwochen Luzern

(2000), musica viva in München (2001), Klangspuren in Schwaz

(2002), Musica nova Helsinki (2003) und Acanthes in

Villeneuve-lez-Avignon (2003) sowie Warsaw Autumn (2005,

2007). Von 2012 bis 2015 war er künstlerischer Leiter des

Suntory Hall International Program for Music Composition.

Helmut Zapf

Sommer (1972)

für Klarinette in B und Akkordeon

Helmut Zapf, geboren1956 in Rauschengesees (Thüringen). Als

Kind und Jugendlicher Klavier – und Orgelunterricht beim

damaligen Gemeindepfarrer Gerhard Voltz. 1974-79 Studium der

Kirchenmusik an den Kirchenmusikschulen in Eisenach und

Halle, Orgel bei Gottfried Preller und Hans-Günter Wauer,

Kontrapunkt und Tonsatz bei Johannes Petzold. 1976-88

Teilnahme an den Geraer Ferienkursen für zeitgenössische

Musik, besonders an den Kursen von Paul-Heinz Dittrich und

Lothar Voigtländer. 1979-82 Organist und Chorleiter in

Eisenberg (Thüringen). 1982 bis 1986 Meisterschüler bei

Prof. Georg Katzer an der Akademie der Künste der DDR in

Berlin. 1987 Umzug nach Zepernick (bei Berlin),

freiberuflich als Komponist tätig. Seitdem auch

Lehrbeauftragter an der Musikhochschule Hanns Eisler für

Tonsatz, Gehörbildung und Komposition. seit 1990 Lehrauftrag

an der Musikschule Kreuzberg für Komposition, Tonsatz und

Gehörbildung. 1992 Gemeinsam mit Kantorin Karin Zapf erste

Durchführung der Zepernicker RANDFESTSPIELE in der

Sankt-Annen-Kirche Zepernick

http://www.randspiele.de1993 Gründung des

Ensembles JungeMusik Berlin. seit 1994 Künstlerische Leitung

des Wettbewerbes und Förderkurses Jugend komponiert an der

Musikakademie Rheinsberg.

Seither verschiedene Stipendien, Aufenthalte und Preise im

In -und Ausland. Wichtige Auffühungen, u.a. 1987

„Concertino“ für Orchester, 1990 „rivolto“, 1992 „Dreiklang

III“ für Orchester, 2005 „Das Goldene Kalb“ (Ballettmusik),

2014 UA der Chorfantasie „Das Glück“ für Chor, Klavier,

Saxophon, Streichquartett und Alt solo.

Seit 2015 Mitglieder der Akademie der Künste Berlin.

Isabel Mundry

Spiegelbilder (1996)

für Klarinette und Akkordeon

Die Komposition richtet ihren Blick auf die Polyphonien

Guillaume Dufays. Beiläufiges kann motivisch werden, jedes

Motiv beiläufig, jede Systematik ist vorübergehend und in

jeder Auflösung steckt ein Keim des Fortganges. Immer wieder

gibt es annähernd kanonische Gebilde, die jedoch wegen

Überlagerungen, Verschiebungen oder zeitlicher Verzerrungen

niemals reine Wiederholungen entstehen lassen.

So entwickelt sich formal ein imaginärer Dialog. Die

Gedanken einander zuspielend, reagiert jedes der beiden

Instrumente auf seine eigene Art, einmal konkret, ein

anderes Mal assoziativ, und jeweils in seiner ihm eigenen Zeit.

Isabel Mundry, geboren 1963 studierte Komposition in Berlin

und Frankfurt bei Frank Michael Beyer, Gösta Neuwirth und

Hans Zender. Nach mehrjährigem Aufenthalt in Paris (Cité des

Arts, Ircam) und Wien lehrte sie von 1996-2005 Komposition

und Musiktheorie in Frankfurt a. M. Seit 2004 ist sie

Professorin für Komposition an der ZHdK Zürich, seit 2011

zudem an der Hochschule für Musik und Theater München. Sie
gab Meisterkurse u. a. in Darmstadt, Kopenhagen, Royaument,

Tiflis, Japan und Korea. 2002/03 war sie Fellow am

Wissenschaftskolleg Berlin. Als Composer in Residence war

sie u. a. beim Lucern Festival, beim Nationaltheater

Mannheim und der Sächsischen Staatskapelle Dresden

eingeladen. Sie ist Mitglied der Akademien der Künste Berlin

und München.

Helmut Oehring

Come not near (2015)

für Klarinette/Bassklarinette und Akkordeon

„Come not near“

You spotted snakes with double tongue,

Thorny hedgehogs, be not seen;

Newts and blindworms, do to wrong;

Come not near our Fairy …

William Shakespeare, A Midsummernight’s Dream

Nur was nicht ist, ist möglich!

Shakespeares Werk ist ein Schrei. Immer wieder.

Er bewegt und zerreißt den Vorhang, der uns von der Wahrheit

trennt –

von der »Unwirklichkeit der Realität und der Verheißung,

dass der Felsen der Welt auf dem Flügel einer Elfe gegründet

ist« (Scott Fitzgerald). Musik ist ein solcher Schrei. Die

Verse Shakespeares sind ein solcher Schrei. Klang

entstehender Stille und Stummheit. Erstummung. Erschwiegenes

Bild. Sonnenfinsternis. Ein Dröhnen. (Helmut Oehring)

Helmut Oehring wurde 1961 in Ost-Berlin geboren. Als

Gitarrist und Komponist Autodidakt, war er zwischen 1992 und

1994 – nach Konsultationen bei André Asriel, Helmut Zapf und

Friedrich Goldmann – Meisterschüler von Georg Katzer an der

Akademie der Künste zu Berlin. 1994/95 war er Stipendiat an

der Villa Massimo in Rom und erhielt seitdem zahlreiche

Auszeichnungen, u. a. den Hanns-Eisler-Preis des

Deutschlandsenders Kultur, den Orpheus Kammeroper Preis

Italien und den Schneider-Schott-Preis. Der Hindemith-Preis

(1997) und der Arnold-Schönberg-Preis (2008) wurden ihm für

sein gesamtes Schaffen verliehen, das – seit den frühen

Theatermusiken für Ruth Berghaus oder Robert Wilson und den

inspirierenden Zusammenarbeiten mit Künstlern wie Peter

Greenaway oder Friedrich Goldmann – heute rund 300 Werke

nahezu aller Genres umfasst. Seine Kompositionen und

Produktionen werden in Konzertsälen, auf Bühnen und

Festivals weltweit aufgeführt, von namhaften internationalen

Solisten und Orchestern sowie allen bedeutenden Ensembles

Neuer Musik. In jüngster Zeit wirkte er auch als Dirigent

und Regisseur eigener Werke. Im September 2011

veröffentlichte btb/Randomhouse seine Autobiografie Mit

anderen Augen. Vom Kind gehörloser Eltern zum Komponisten,

die in Kürze vom SWR als Hörspiel sowie von der Regisseurin

Feo Aladag als Kinofilm produziert werden wird. Helmut

Oehring ist ständiges Jury-Mitglied des Karl-Sczuka-Preises

für internationale Hörspielkunst des SWR und Jury-Mitglied

des Kleinen Kunstpreises Berlin 2014 sowie Mitglied der

Akademie der Künste Berlin und der Sächsischen Akademie der

Künste.

2013 wurden Helmut Oehrings Opern SehnSuchtMEER oder Vom

Fliegenden Holländer zum Wagner-Jahr an der Deutschen Oper

am Rhein und AscheMOND oder The Fairy Queen an der

Staatsoper im Schillertheater Berlin uraufgeführt. SEVEN

SONGS für einen Vokalisten und Kammerensemble zu F. W.

Murnaus Stummfilm Sunrise: Song for Two Humans von 1927 mit

David Moss und dem Quatuor Sine Nomine, die im Oktober 2013

in Le Capitole/ Lausanne Weltpremiere feierten, erfuhren

ihre französische Erstaufführung am 11. Juni 2014 im IRCAM/

Centre Pompidou Paris, gefolgt von der Uraufführung des

Musiktheaters Orfeo14 vol.1 in eigener Inszenierung am 18.

Juni 2014 mit dem Ictus Ensemble und Emanuelle Haïm/Le

Concert d’Astrée an der Opéra de Lille.

Aktuell komponiert Helmut Oehring die Kinderoper Die Brüder

Löwenherz nach Astrid Lindgrens gleichnamigen Roman (UA 6.

März 2015 Semperoper Dresden in Coproduktion mit dem Luzern

Festival und dem Staatstheater Karlsruhe). Mit der „Collage

instrumentale scénique“ Angelus novus II, die Helmut Oehring

als Professor der Hochschule der Künste Bern mit

Studierenden und Lehrenden der dortigen Fachbereiche sowie

den Solisten David Moss und Matthias Bauer im Februar 2015

zur Uraufführung bringen wird, führt er seinen Angelus novus

Zyklus auf Zeichnungen Paul Klees und Texte Walter Benjamins

fort, der auch das Ensemblewerk Angelus novus I für das

Collegium novum Zürich (UA 18. Januar 2015) umfasst und das

Monodram für Ensemble, Orchester und Solokontrabass/Stimme

Angelus novus III (UA 2016 mit dem Ensemble Aventure und den

Freiburger Philharmonikern) sowie das geplante Oratorium

Angelus novus IV auf Händels Messiah.

Gemeinsam mit seiner Librettistin und Coregisseurin Stefanie

Wördemann erarbeitet Helmut Oehring zudem die Kammeroper

AGOTA mit der Schauspielerin Dagmar Manzel und dem Ensemble

Modern auf Leben und Werk der Schriftstellerin Ágota Krystóf

(UA Mai 2016 Staatstheater Wiesbaden) und das szenische

Konzert JONA, JONAS und der WAL mit hörenden und

nicht-hörenden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und

Mitgliedern der Rostocker Philharmoniker (UA 19. Dezember

2014 Volkstheater Rostock.

Mayako Kubo

Geras-Variationen (2015)

für Klarinette und Akkordeon

Das Stift Geras liegt in Niederösterreich 30km vor der

Grenze zu Tschechien, ein Ort des Mittelalters. Mit einer

Inspiration von Oben? Auf der hohem Decke sah ich jeden Tag

ein wunderschönes Gemälde Paul Trogers, die Brotvermehrung

Jesu darstellend. Jeden Tag starrte ich auf zartes

Stuckmarmor. Ist das ein Ort für Komponisten Neuer Musik? Oh

ja! Die fünf Buchstaben aus GERAS, G-E-rA-Es, sind das

Ausgangsmaterial der Komposition. Ausser R sind die

Buchstaben als Tonhöhen und Tonalität gedeutet, z.B. G: Ton

G oder G-Dur/Moll-Dreiklang. R wird als Vorschlag gedeutet.

Mayako Kubo ist eine Komponistin japanischer Herkunft. Sie

kam 1972 nach Wien, um Komposition, Musikgeschichte und

Philosophie zu studieren. Ab 1980 setzte sie ihre

Kompositionsstudien bei Helmut Lachenmann fort.

1985 lässt sich Kubo in Berlin nieder. Zur

Hauptkompositionen zählen drei Opern: Rashomon, OSAN, Der

Spinnfaden. Kubo weiß mit großer Sicherheit einen Bogen zu

spannen zwischen zwei Hauptquellen ihres Ausgangsmaterials:

der japanischen Literatur und der europäischen

Musiktradition. 2008 gründet sie das „Young Asian Chamber

Orchestra Berlin“ und ist die künstlerische Leiterin des

Orchesters.

Kubos Œvre ist verlegt bei Ariadne Verlag, Breitkopf &

Härtel, Verlag Neue Musik und edition nuova vita.

Seit 2014 spielt Sabina Matthus-Bébié mit Felix Kroll als Duo „Im

Goldrausch“. Der Schwerpunkt des Ensembles liegt einerseits bei Musik

von Johann Sebastian Bach und andererseits bei zeitgenössischer Musik.

Seit 2009 leitet sie auch die Kammermusikreihe „Vier Jahreszeiten“ in

Netzeband und hat 2011 das Projekt Klarinettenfestival „Carte blanche“

mit Klarinettisten wie Ernesto Molinari, Donna Wagner Molinari, Claudio

Puntin, Theo Nabicht, Ingolfur Vilhjalmsson, Hans Koch, Andrea Nagy,

Carl Rosman, Domenic Janett, Florian Walser ins Leben gerufen, welches

alle zwei Jahre stattfindet.

Sabina Matthus-Bébié wurde 1975 in San José, Costa Rica geboren. Sie

wuchs in Thun, Schweiz auf und machte da ihre erste Ausbildung als

Primarlehrerin. Sie studierte danach Klarinette und Bassklarinette an

der Hochschule für Musik und Theater Bern/Biel bei Ernesto Molinari.

Seit Juli 2004 lebt und arbeitet sie in Netzeband, Ostprignitz und

unterrichtet Klarinette an der Kreismusikschule Neuruppin. Sie hat für

die Kammeroper Schloss Rheinsberg 2004 in „Abyssus – Gregorianische

Gesänge und Jazzimprovisation“ mitgewirkt und im Orchester der

Opernwerkstatt unter der Leitung von Ingo Ingensand gespielt. 2004 gab

sie einen Soloabend mit Werken des 20.Jahrhunderts, unter anderem mit

Werken von Luciano Berio, Edison Denissow, Louis Cahuzac, Eric Dolphy

und dem „Kleinen Harlekin“ von Karlheinz Stockhausen. Seit 2008 tritt

ist regelmäßig beim „Intersonanzen Festival“ Potsdam auf. Der Komponist

Peter Francesco Marino hat für sie ein Konzert für Bassklarinette und

Streichorchester „Komm süsses Kreuz“ welches am 20.März 2009 in Hannover

uraufgeführt wurde, komponiert. 2010 wurde für sie das „Capriccio“ für
Klarinette und Klavier von Siegfried Matthus geschrieben. Das Werk hat

sie in 2011 uraufgeführt.

Felix Kroll, geboren 1986 in Berlin, setzt sich intensiv mit einer

großen Bandbreite von Werken der Neuen Musik auseinander. Seine

künstlerische Ausbildung absolvierte er bei Prof. Margit Kern, Claudia

Buder, Mikko Luoma (Finnland) und Prof. Geir Draugsvoll (Dänemark). Er

ist Preisträger verschiedener Wettbewerbe und Stipendiat der

Oscar-und-Vera-Ritter und der Pradé Stiftung. Kurz nach seinem Studium

erhält er bereits 2014 einen Lehrauftrag der Hochschule für Musik und

Theater Rostock. Als junges Talent engagiert er sich aktiv in der Neuen

Musik Szene, bringt regelmäßig neue Werke zur Uraufführung und pflegt

eine enge Zusammenarbeit mit namhaften Komponisten wie Helmut Oehring,

Georg Katzer, Sidney Corbett, Younghi Pagh-Paan u.v.m. Für zahlreiche

Produktionen wurde er als Solist auf Bühnen wie der Staatsoper Hamburg,

Leipziger Schauspiel, Konzerthaus Berlin, Theater Lübeck, oder der

Bundeskunsthalle Bonn engagiert. Internationale Konzerte führten ihn

durch ganz Europa, nach Russland und Korea. Daneben gastiert er

regelmäßig in diversen Formationen, wie dem Rundfunk-Sinfonieorchester

Berlin, Oh ton-ensemble, Reflektion K., Zafraan und Junge Musik Berlin.

2012 gründet er das „RADAR ensemble“, das sich durch einen Brückenschlag

zur Performance, Improvisation und multimedialen Konzepten in der Neuen

Musik positioniert. Felix Kroll wirkte mehrfach bei Fernseh- und

Rundfunkaufzeichnungen mit – etliche CDProduktionen, die unter anderem

durch den Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet wurden,

dokumentieren sein Schaffen.

Herzliche Grüße!

Ihre Rainer Rubbert und Martin Daske

Die Unerhörte Musik wird gefördert aus Mitteln des Regierenden

Bürgermeisters von Berlin, Senatskanzlei, Kulturelle Angelegenheiten

Die BKA-Club-Konzerte werden anteilig gefördert aus Mitteln des

Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Senatskanzlei, Kulturelle

Angelegenheiten und durch die Musicboard Berlin GmbH

Alle Veranstaltungen finden im BKA-Theater, Mehringdamm 34, 10961

Berlin, statt. Telefon: 030 – 20 22 007

Eintritt: 13,- / 9,- €

Zehnerkarte: 80,- / 60,- € (übertragbar)

http://www.unerhoerte-musik.de

http://www.facebook.com/pages/Unerh%C3%B6rte-Musik/1511897739097798?ref=hl