[ 22. April 2016 ]

BERLIN – Unerhörte Musik | Newsletter | 2016 | Nr. 9

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Unerhörte Musik | Newsletter | 2016 | Nr. 9

NEWSLETTER 2016 | Nr. 9

26. April und 3. Mai

„Musik. Sie legt sich auf und geht unter die Haut, in den Bauch,

in den Kopf, ins Rückenmark. Sie wirkt im besten Sinne und Falle

subversiv, ist ein spitzer Stachel und hält die Entzündung wach,

die bestehenden Verhältnisse zu ändern. Sehnsucht zu

provozieren. Sie ist Treibstoff für eine produktive

Untröstlichkeit. Und vor allem ist sie auch immer das, was sie

nicht ist.“

(Helmut Oehring)

DEGEM,

am kommenden Dienstag, 26. April konzertiert das junge

argentinisch-schweizerische Ensemble Lemniscate in der Unerhörten Musik.

Sein Programm Grenzlinien ist die Auseinandersetzung mit dem Thema

„Grenzen“: Landesgrenzen, Stilgrenzen und das Überschreiten von Grenzen.

Zur Aufführung kommen Werke in der Besetzung Flöte, Klarinette, Violine,

Violoncello und Klavier von Ricardo Eizirik, Yair Klartag, Chikako

Morishita UA, Beat Furrer, Raphaël Cendo und Arash Yazdani UA

Eine der Ausnahmemusikerinnen in Berlin ist die Cellistin, Komponistin

und Performerin Nora Krahl.

Ihre Leidenschaft gehört der zeitgenössischen Musik und der akustischen

und elektronischen Improvisation.

Am Dienstag, 3. Mai präsentiert sie ihr Programm The beast and

electric beauty mit komponierten Werken für Violoncello und Elektronik

von Hikari Kiyama, Sidney Corbett, Milica Djordjevic, Michael

Maierhof, Nora Krahl UA, Martin Schüttler, Liza Lim, Jagoda

Smytka und Salvatore Sciarrino.

Dienstag, 26. April 2016 | 20:30 Uhr | Ensemble Lemniscate

Ensemble Lemniscate

Micaela Grau Durán, Flöte

Valentina Štrucelj, Klarinette

Andreas Kunz, Violine

Ellen Fallowfield, Violoncello

Gilles Grimaître, Klavier

Grenzlinien

Ricardo Eizirik – In transit / III –Trânsito: observar / comentar (2011-13)

Yair Klartag – Villa in the jungle (2014)

Chikako Morishita – One Arm 2 (2016) UA

Beat Furrer – Aer (1991)

Raphaël Cendo – Furia (2009-2010)

Arash Yazdani – Aphorism (2016) UA

Ensemble Lemniscate

http://www.ensemblelemniscate.com

Dienstag, 3. Mai 2016 | 20:30 Uhr | Nora Krahl

Nora Krahl, Violoncello und Elektronik

The beast and electric beauty

Hikari Kiyama – Death Metal with Head Bang (2012)- für Violoncello und

Distortion

Sidney Corbett – Unknowing (2011) – für Violoncello solo

Michael Maierhof – Splitting 2 (1999) – für präpariertes Cello

Nora Krahl – Verrine (2016)- für Violoncello solo UA

Martin Schüttler – Dein Penis (2012) – Version für Cello solo und Feedback

Liza Lim – Invisibility (2009) – für Violoncello solo mit zwei Bögen

Jagoda Smytka – KÖRPERWELTEN study of fragmentated ONE (2008) – for

amplified cello, tape and video

Hikari Kiyama – Death Metal with Head Bang (2012)- für Violoncello und

Distortion

„I was born in a village in Konko in the Okayama province of

Japan. As a child, I was fascinated by the mysterious

rituals and secret ceremonies of the village shaman, they

made music with natural objects such as rocks and water like

Chinese composer Tan Dun. I was sent to work as a child

priest on the Konko commune with my family. I was joined an

voice ensemble of commune residents and learned to play

traditional Japanese instruments such as Shakuhachi and

Shamisen.

This new cello composition was based on a memory of my

shaman village, I listened primitive and powerful shaman

music in my childhood. After the moving to the Germany, I

started to import the magical power of shaman into the

contemporary music such as Karlheinz Stockhausen.“ (Hikari

Kiyama)

Martin Schüttler – Dein Penis (2012) – Version für Cello solo und Feedback

„Liebling, möglicherweise sind wir traumatisiert.

Dies behandelt ja, wie wir mit Deinem Penis umgehen, der von

dir abgegangen ist, was kein einfaches Gebiet ist. Das

wahrscheinlich Profane entkommt dem möglicherweise Absoluten

andauernd. Das eine gebiert quasi ständig das andere, und

auch umgekehrt, von oben nach unten, und auch umgekehrt, von

links nach rechts, und auch umgekehrt, und noch unzählbare

andere Dimensionen, und auch umgekehrt. Wir könnten uns zum

Beispiel mit Leichtigkeit darüber unterhalten, wie es dazu

kam, dass Dein Penis, von dir losgelöst, hier herumliegt.

Wir wissen das absolut alles, unser ganzes bisheriges und

gegenwärtiges und zukünftiges Leben, aber das Wissen rufen

wir nicht ab. Wir wissen zwar, dass wir das tun könnten,

aber das Können allein scheint kein hinreichender Grund zu

sein, wie auch zudem wir im Moment mit einem abgerufenen

Wissen nicht mehr können könnten, als ohnehin. Wir halten

uns lieber erstmal an unseren Händen fest und sprechen

nichts, aber unsere Ränder sind im Bilde. An diesen Rändern

entlang spielen sich die gleich folgenden Handlungselemente

ab. Was also kann nun mit Sicherheit geäußert werden? Du

bist du, zum Beispiel. Dein Penis ist mit Sicherheit

abgetrennt von dir. Du verlierst mit Sicherheit an Farbe.

Ich möglicherweise auch. Dann wäre alles nicht so schlimm.

Dann, wenn wir einfach nur zwei gleichmäßig auslaufende

Gefäße sind, ist nämlich auch alles einfach nicht so

schlimm, oder doppelt schlimm, und dass wir uns verändern,

dagegen kommen wir kaum an vom Fleck. Ich packe Deinen Penis

nun mit Sicherheit mit meinen Händen sorgfältig in eine

weiße Papiertüte hinein. Die Papiertüte lege ich in den

mittleren der drei weißen Müllcontainern auf dem Parkplatz

vor dem Hotel, in dem wir, da du ohne Deinen Penis bist und

in Folge aufhörst, du zu sein und ich in Folge aufhöre, ich

zu sein, wohnen müssen……“

Luise Böge (Auszüge)

Martin Schüttler, geboren 1974, studierte Komposition an der

Folkwang-Hochschule bei Nicolaus A. Huber und Ludger

Brümmer. Zwischen 2001 und 2004 war er Stipendiat am ZKM in

Karlsruhe. Seit 2001 unterrichtet er Musiktheorie und

Komposition an der Musikhochschule Frankfurt.

Schüttler arbeitet mit international renomierten Musikern

zusammen, darunter das Ensemble Modern, musikFabrik und das

hr-Sinfonieorchester. Für seine Kompositionen wurde er mit

zahlreichen Preisen ausgezeichent, darunter mit dem

Kranichsteiner Kompositionspreis der Darmstädter Ferienkurse

2002. Seine CD Pelze & Restposten ist 2009 in der

Reihe Edition Zeitgenössische Musik des Deutschen Musikrats

erschienen. Martin Schüttler lebt in Berlin.

Jagoda Smytka – KÖRPERWELTEN study of fragmentated ONE (2008) – for

amplified cello, tape and video

Jagoda Szmytka’s composition method addresses the issue of

musical notation. Sounds are not abstract points in space

and time, but a product of how the musician holds his

instrument. Gesture plays a decisive role in the music by

determining the power of the sound. By no longer thinking in

terms of sound parameters, instead emphasizing the role

played by physical contact with the instrument and combining

sounds with shapes and movement, Szmytka produces music that

requires the traditional score to be replaced by tablature.

In körperwelten, the strings use octave tuning. Arrows on

the time axis represent movements of the hand and fingers,

different ways of touching the fingerboard, and bow

pressure. The performer operates on precisely defined

locations on the body of the instrument, which is amplified

with five contact microphones. For everything to work as

intended, the score includes a drawing of the fingerboard,

the body, and the bridge. (Monika Pasiecznik)

Jagoda Szmytka, geb. 1982 in Legnica (Polen), studierte

Kunstgeschichte, Philosophie, Musiktheorie und anschließend

Komposition in Wrocław, Graz, Frankfurt am Main und

Karlsruhe. Ihre Musik fand internationale Anerkennung und

wurde u.a. beim Warschauer Herbst, dem ECLAT Festival

Stuttgart, den Darmstädter Ferienkursen, dem

Ultraschall-Festival Berlin, dem Lucerne Festival, Wien

Modern, beim Deutschlandfunk Köln, Royaumont Paris, der

Akademie der Künste Berlin und der Nationaloper in Warschau

gespielt. Sie erhielt für Ihre Musik u.a. das Staubach
Honorarium und den Stipendienpreis

der Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik, Stipendien des

DAAD und der Kunststiftung Baden Württemberg, sowie

Arbeitsstipendien am Herrenhaus Edenkoben, La Muse en

Circuit Paris und der Villa Serpentara (Italien). Szmytka

arbeitet regelmäßig als Gastkünstlerin am ZKM in Karlsruhe.

2014 erschien eine Porträt-CD in der „Edition

zeitgenössische Musik“ des deutschen Musikrats (WERGO).

Jagoda Szmytka komponiert „für Menschen, mit Menschen und

über Menschen“. Szmytkas „soziales Komponieren“ (social

composing) untersucht gesellschaftliche und interpersonelle

Prozesse wie Kommunikation und Identität in Referenz zur

gesellschaftlichen Dimension des Musik-Machens (Musiktheater

Projekte: LIMBO LANDER, LOST, LOVE LABEL). Szmytkas

„intertextuelle Musik“ ist geschrieben für „Augen, Ohren und

Denken“ – unter Einbeziehung von mixed-media, trans-media

und cross-genre Formaten. Die Kompositionen sind Mixturen

von Texten, Bildern und Klängen, welche komplexe Strukturen

und Referenzen zu Hoch- und Popkultur, Philosophie und

Realität aufbauen.

Szmytka ist Gründerin und Leiterin der Projekte: „PLAY –

Plattform für Kunst- und Kulturinitiativen“ und „ENTER –

Collecthief“, das sich auf Aufführungen referenzieller Musik

spezialisiert hat.

Die Leidenschaft der Cellistin Nora Krahl gehört der zeitgenössischen

Musik. Sie konzertierte in verschiedenen Ensembles bei Festivals wie

Ruhrtriennale, Münchener Biennale, Bang on a Can Summer Festival (NY),

ISEA2010, Klangspuren, oder dem Theaterfestival Baghdad. Sie arbeitete

mit Musikern und Komponisten wie Lukas Fels, Rohan de Saram, Nickolas

Photinos, Steve Drury, Tristan Murail, Helmut Lachenmann, Martin

Bresnick, Johannes Kalitzke und Michael Gordon.

Ein besonder Focus in ihrer Arbeit liegt auf der akustischen und

elektronischen Improvisation. 2013 gründete sie „The Octopus“, und

„Rabiator“, ein Duo für analog Elektronik mit dem Komponisten Felipe

Waller. Nora Krahl tritt mit Musikern wie Joëlle Léandre, Elliott Sharp,

Jon Rose, Frank Gratkowski, Oguz Büyükberber oder Tobias Klein auf. Sie

arbeitet als Performerin, Musikerin und Komponistin im Bereich Theater,

Tanz und Film zum Beispiel mit Karin Beier am Schauspielhaus Köln und

Hamburg. Weitere Produktionen führten sie an die Columbia University NYC.

Nora Krahl erhielt Stipendien von DAAD, Ensemble Modern, Allianz

Kulturstiftung, des Landes Niedersachsen der Kunststiftung NRW, die

Landesregierung NRW und der Paul Sacher Stiftung Basel. Sie erhielt

Künstler- und Forschungsresidenzen in Istanbul, New York und Basel. Nora

Krahl studierte bei Prof. Alexander Hülshoff an der Folkwang Universität

der Künste, wo sie zurzeit an ihrer Doktorarbeit in Musikwissenschaft

arbeitet. norakrahl.de

Grenzlinien – der Titel des Lemniscate-Projekts deckt sich mit dem

Programm der Unerhörten Musik: das Überschreiten von Landes- und

Stilgrenzen, um Ihnen, verehrte Zuhörer, die ganze Bandbreite des

aktuellen Musikschaffens präsentieren zu können.

Hören Sie?

Herzliche Grüße,

Ihre Rainer Rubbert und Martin Daske

Die Unerhörte Musik wird gefördert aus Mitteln des Regierenden

Bürgermeisters von Berlin, Senatskanzlei, Kulturelle Angelegenheiten

Alle Veranstaltungen finden im BKA-Theater, Mehringdamm 34, 10961

Berlin, statt. Telefon: 030 – 20 22 007

Eintritt: 13,- / 9,- €

Zehnerkarte: 80,- / 60,- € (übertragbar)