Von: „Unerhoerte Musik“
Datum: 8. April 2012 11:57:12 MESZ
Betreff: Newsletter der Unerhörten Musik – 10. April 2012
Dienstag, 10. April 2012 20:30 Uhr
Ulrike Brand, Violoncello
Joachim Heintz, Live-Elektronik
STREAM
Samir Odeh-Tamimi
TAMÀNI I (2003)
für Violoncello
Samir Odeh-Tamimi benutzt in seiner Musik mikrotonale Motive, die der
traditionellen arabischen Musik entlehnt sind. Die Umspielung eines
Zentraltons verweist auf seine Affinität zur Musik Giacinto Scelsis,
der sich wiederum von der indischen Musiktradition inspirieren ließ.
Das Stück TAMANI I, zu deutsch: „Wünsche“ wurde von Ulrike Brand
in Auftrag gegeben und bildet den Anfang eines Zyklus. Sie spielte die
Uraufführung 2003 in dem von arabischen Architekten erbauten Schloss
„Zisa“ in Palermo.
Charlotte Seither
DEIXΪS (2009) für Violoncello
Deïxis beschäftigt sich mit der Idee eines übergreifenden
„Superglissandos“, das sich (zumindest als ein Imaginäres) über
das gesamte Stück hinweg zieht. Intern gliedert dieses sich in
zahlreiche Schichtungs- und Formzusammenhänge auf, die die Beziehungen
des Teils zum Ganzen, aber auch zur nächstgrößeren oder – kleineren
Einheit mehrdeutig machen und stets neu beleuchten. Indem jeder Ton,
der als Außenpunkt des Glissandos erreicht wird, eine eigene Farbe
erhält, wird er wiedererkennbar und bildet eine Linie aus, die das
Stück ebenfalls durchzieht. Das Stück lebt vom differenzierten
Gleiten des Bogens im Fluss, durch das stets neue Rück- und
Vorwärtsbeziehungen aufgespannt werden. Alles ist Fließen. Alles ist
Beziehung. (Ch.S.)
Samir Odeh-Tamimi
UFFUK (2010) für Violoncello
Rolf Wallin
STREAM (1999) für Violoncello
STREAM war ein Auftragswerk der deutschen Bach-Gesellschaft und wurde
in Bezug zu Bachs 3.Suite für Cello solo komponiert. Der fließende
Charakter des Praeludiums in G-dur durchzieht Wallins Werk. Eine
Hüllkurve umschliesst ein vielfältigen Kontinuum an Übergängen:
dynamisch von der Stille zum Klang, vom Geräusch zum Ton, vom
flirrenden tremolo oder arco gettato zum liegenden Klang, hier und da
unterbrochen von rhythmischen Interruptionen, die Zusammenklänge
versuchen festzulegen um dann wieder sich im Fließen aufzulösen.
(U.B.)
Joachim Heintz
Quo tendis (2006) für Violoncello und Elektronik
Kräfte, die nicht zusammen kommen, sondern den Raum auseinanderziehen.
Verschiedene Richtungen, Schiefheiten, Einsprüche. Ruhelose
Behinderungen. Die einzelnen Elemente (Kräfte, Wesen) wollen sich
ausbreiten, entfalten. Wollen ihren Raum gewinnen in den
Überkreuzungen. Im unmittelbaren Augenblick, und als Verbindung mit
Ähnlichem, inselartig.
Aber das Andere kommt aus der Ferne, mit Fremdem. Sehnsucht. Keine
Erlösung, aber ein anderer Modus. In der Fahlheit des Stillstands
wendet sich der Schmerz. Zum Titel: „quo tendis“ heisst lateinisch
„wohin breitest du dich aus“, „wohin willst du“.(J.H.)
John Cage
FOUR 6 (1992) for any way of producing sounds
„music is permanent, only listening is intermittent“ (H.D.Thoreau)
Cages sogenannte „number pieces“, welche ihren Titel aus der Anzahl
der beteiligten Spieler und der Ordnungszahl, die angibt, zum
wievielten Mal ein Stück für ebendiese Anzahl von Spielern komponiert
wurde, beziehen – in diesem Fall hören wir das sechste Stuck für
vier Spieler- haben die Organisation des Zeitverlaufs gemeinsam.
Durch zufallsgenerierte „time-brackets“ hat jeder Einzelklang einen
flexiblen Eintrittsbereich und einen flexiblen Ausklangsbereich. Da
sich sich diese beiden Bereiche sowohl in bezug auf den Einzelklang,
als auch auf den vorhergehenden und nachfolgenden Klang überschneiden
können, sind die Kombinationender Schichtung nahezu unbegrenzt. Die
„number-pieces“ haben generell eine horizontale Struktur, nur
selten bietet sich die Möglichkeit, kurze Klänge zu spielen und es
gibt keine „Knoten“ an denen sich eine eine vertikale Hörweise
orientieren könnte. Die Klänge scheinen aus dem Nicht aufzutauchen
und wieder ins Nichts zurückzusinken, um während ihrer unbestimmten
„Lebenszeit“ harmonische – hier nicht im musikalischen Sinn,
sondern im Sinne von: völlig konfliktfrei – Koexistenzen mit den
gleichzeitig erscheinenden Klängen einzugehen. Im Laufe des Stücks,
in diesem Fall 30 Minuten, hebt sich im Idealfall bei Spieler und
Zuhörer jeder Gestus des „Hinhörens“ zugunsten eines
„Lauschens“ auf, der sinnlichen Akzeptanz alles Hörbaren. (U.B.)
Ulrike Brand studierte Cello bei Klaus Heitz und Georg Faust, sowie
Kammermusik bei Amadeus-Quartett an der Musikhochschule Köln.
Weiterhin spezialisierte sie sich bei Peter Eötvös und ihrem Mentor
Siegfried Palm auf die Interpretation zeitgenössischer Musik. Seit
1985 konzertiert sie als Solistin auf den wichtigsten Festivals für
zeitgenössische Musik: u.a. Epidaurus Festival (Athen), Frankfurter
Feste, Nuova Consonanza (Rom), John Cage e l’Europa (Perugia),
Evenings of New Music (Bratislava), Bayer Kultur (Leverkusen),
Sonopolis (Venedig), Wort & Klang (Goethe-Institut Turin), Melos Etos
(Bratislava), Colloqui Internazionali di Nuova Musica (Palermo),
Musica e Spazio (Rom), Cercle Scelsi (Perugia), Sagra Musicale Umbra
(Perugia), Goethe-Institut (Paris), Octobre en Normandie (Rouen), 3x
neu (Düsseldorf), Q-Art (Cagliari), Borealis (Bergen), Santa Fe New
Music (USA), Conductus (Meran), Festival delle Nazioni (Città di
Castello), DFG/Wissenschaftszentrum (Bonn), Teatro La Fenice
(Venedig), Wort & Klang (Goethe-Institut Turin), Nucleo Musica Nueva
(Montevideo), Projektgruppe Neue Musik (Bremen), Segni Mobili (Rom),
Melos Etos (Bratislava), Japanisches Kulturinstitut (Rom), Deutsches
Kulturinstitut Villa Romana (Florenz), Unerhoerte Musik (Berlin),
Santa Fe Festival of Electroacustic Music (USA), Rebus (Milano), Oh-
ton (Oldenburg). Ulrike Brand spielte zahlreiche Uraufführungen,
darunter Werke, die in ihrem Auftrag enstanden und ihr gewidmet sind,
u.a. von Federico Incardona, Graciela Paraskevaidis, Christian Wolff,
Barbara Monk-Feldman, Samir Odeh-Tamimi, Joachim Heintz, Stefano
Trevisi, Cheol-Ha Park, Cesare Saldicco, Karen Odrobna Gerardi, Steven
M. Miller, Marcello Fera , Gianclaudio Mantovani, Flavio Emilio
Scogna, Giulio Castagnoli, Giovanni Damiani, Michele dall’Ongaro,
Marco Lombardi, Silvia Colasanti, Giampaolo Coral, Gerolamo Deraco,
Federico Gardella, Enrico Correggia, Alessandra Ravera, Francesco
Maggio, Eckart Beinke. Ihr besonderes Interesse gilt
grenzüberschreitenden Projekten in den Bereichen Bildende Kunst, Tanz,
Theater, Videokunst und Improvisation, wobei sie u.a. mit Annebarbe
Kau, Carola Bauckholt, Massimo Moricone (Teatro Koros), Senio Dattena,
Roberta Cortese, Isabella Bordoni, Danilo Cremonte (smascherati!),
Hiroko, Felix Rozen, Daniel Hees und den Percussionisten Robyn
Schulkowsky und Joey Baron zusammengearbeitet hat. Seit 2002 ist
Ulrike Brand Gastdozentin an der University of the Arts Bremen und
hielt Gastvorlesungen an der University of Bergen, der Escuela
Universitaria de Musica Montevideo, der Universität Oldenburg und
2006/ 2007 am College of Santa Fe (USA), sowie Kurse im Rahmen des
Master-Bienniums an den Konservatorien von Perugia und Bozen. Im Jahr
2006 hat sie das internationale Hochschul-Austauschprojekt „cello+live
elektronik“ unter Beteiligung der Hochschulen Bremen und Perugia,
sowie des Forschungszentrums Tempo Reale Firenze durchgeführt. 2012
wird sie Konzerte , Vorlesungen und Workshops zu John Cage an der John
Cabot University Rome, am Conservatorio di Perugia und für das Goethe-
Institut Palermo halten. Von 1987 bis 1997 war gemeinsam sie mit
Alfonso Fratteggiani Bianchi künstlerische Leiterin der Quaderni
Perugini di Musica Contemporanea, denen John Cage 1992 sein Stück ONE
12 widmete, welches er selbst in Perugia uraufführte. Im Verlag L’Epos
(Palermo) hat Ulrike Brand zwei Bücher mit Texten über John Cage und
Giacinto Scelsi herausgegeben. Seit 2010 konzertiert sie im Duo mit
der Akkordeonistin Margit Kern, das sich vorwiegend der Interpretation
aktueller Musik widmet. Ulrike Brand lebt in Perugia (Italien) und
Berlin. http://www.ulrikebrand-cello.com
Wir wünschen Ihnen ein frohes Osterfest
und grüßen Sie herzlich!
Rainer Rubbert und Martin Daske
BKA-Theater
Mehringdamm 34
10961 Berlin
Kartentelefon: 030 – 20 22 007
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