[ 6. Mai 2012 ]

BERLIN – Unerhörten Musik – 15. Mai 2012

Von: „Unerhoerte Musik“
Datum: 4. Mai 2012 16:15:39 MESZ
Betreff: Newsletter der Unerhörten Musik – 15. Mai 2012

Dienstag, 15. Mai 2012 20:30 Uhr
Nathan Plante, Trompete
Ernst Surberg, Klavier und virtuelle Hammondorgel
Andre Bartetzki, Live-Elektronik
Helmut Zapf, Klangregie

Abendlied

Ein Konzert in der Unerhörten Musik ist nicht nur ein Abspielen von
Stücken, ist auch immer eine besondere Art der Präsentation, ein
Bauplatz von Klängen. Am heutigen Abend ein Lied von und mit Freunden
und Kollegen.

Helmut Oehring

Philipp (2001)
für Trompete und Elektronik

Als ich Philipp kennenlernte, war er dreieinhalb Jahre alt. Nie wieder
habe ich solche Klänge und Geräusche in Geschichten gehört. Er
konnte sie vor allem auf/an einem stillen Ort hervorbringen.
Monsterzwerge, Hexriesen, Mörderzischfeen, Fichtenkienzauberer,
Rennritter, Goldprinzufos, Grenzbillreiter und Königspiloten.
Uhujungen auf Schlangenpferde, Prinzessinnentieger neben
Giraffenwölfen, Säbelzahnadler und Walhaidrachen kämpften mit sowie
gegeneinander, für und um etwas. … genauer gesagt: um alles oder
nichts.
Begegneten sich auf Gebirgsengpässen und in Wolkenschwindelschluchten,
im uralthohen Baumwipfelgrün unserer Parks und in Graudunkeleistälern
ferner Galaxien.
Tauchend im Seeschlammgeschilfstein und in Regenknochwüsten, tanzend
auf Orkanwimpern, liegend inmitten leuchtend, duftender
Strohnektarhimmelsblüten …
Unvorstellbare, atemberaubende Gleichzeitigkeit und fliehende Wechsel
der polymonophonen Räuschflechte aus Nicht(w)orten, Herkunft und
Heimat. BrüllSäuselHauchKnirschend.
Brutal – Zeitengleich – Fragil. Eine Klarheit und Einheit von Klängen,
Inhalten und Bewegungen, wie sie im Verlauf des Älterwerdens nur immer
mehr entfremdet wird, „vom Land das unsre Sprache spricht
…“ (Helmut Oehring)

Helmut Zapf

Baustelle II (2009)
für Elektronik UA

Das Stück „Baustelle“ entstand 2007 im 8 Kanalmodus, mit einer
Dauer von 35 min. für den Performer Kurt Koenig anlässlich einer
Konzertreihe des Ensembles Zwischentöne im Wedding. Die heutige
Fassung ist eine gekürzte Fassung für ein Konzert im November 2009 in
den „Berliner Unterwelten“ im 4 Kanalmodus. Das Material ist
Sprachmaterial der alten Babylongeschichte in 12 Sprachen, sowie
diverse Bau –und Arbeitsgeräusche. Diese wurden gemischt,
komprimiert, gestreckt und anderen Modulationsverfahren unterworfen.

Enno Poppe

Arbeit (2007)
für virtuelle Hammond-Orgel

In der bildenden Kunst ist „Arbeit“ eine neutrale Bezeichnung für das,
was früher „Kunstwerk“ genannt worden wäre. In der Musik ist der
entsprechende Ausdruck „Stück“. Interessanterweise wird also in der
Musik eher der Objektcharakter betont (obwohl ein Konzert eine
Handlung ist), in der bildenden Kunst hingegen der Prozess der
Herstellung (obwohl oft genug am Ende die „Arbeit“ ein fertiges
Produkt ist).
Arbeit ist eine Vorstudie zu „Arbeit Nahrung Wohnung“, einem
Musiktheater, das im Auftrag der Münchener Biennale 2008 entsteht.
Gemeinsam mit Marcel Beyer und Anna Viebrock versuche ich, die Figur
Robinson Crusoe zu beobachten. Obwohl der Roman von Defoe, schnell und
schlampig geschrieben, heute kaum noch gelesen wird, gehört seine
Handlung zu den bekanntesten Romanhandlungen überhaupt, eine Art
Mythologie des Frühkapitalismus. Auf der Opernbühne ist Robinson –
von einigen Vaudevilles im 19. Jahrhundert abgesehen – nicht in
Erscheinung getreten. Dabei kann von einem Mangel an Handlung
keineswegs die Rede sein: kaum angekommen, beginnt Robinson sofort,
wie besinnungslos zu arbeiten. Im Lauf der Zeit erzeugt er etwa
Nahrungsmittel, mit denen er mühelos ein ganzes Dorf ernähren
könnte. Dieses Arbeiten bildet ein zentrales Element der Oper: keine
instrumentalen Zwischenspiele, sondern das Hauptspiel selbst. Die
virtuelle Hammondorgel ist eine Computersimulation einer echten
Hammondorgel, mit dem Vorteil der freien Verfügbarkeit von
Mikrointervallen. Wie in anderen Stücken arbeite ich mit einer
Tastaturbelegung, die den gegriffenen Tasten andere Töne zuweist. Das
Besondere an der hier verwendeten Tastaturbelegung ist die bevorzugte
Verwendung von Oktaven auf nebeneinander liegenden Tasten. Auf diese
Weise kann ich auf engstem Tastaturraum den gesamten Tonraum
unterbringen. Das ermöglicht die Bildung von sehr komplexen Mustern,
die aus der Beschaffenheit der Pianistenhand entstehen. Die
Schnelligkeit der Musik mag angesichts der 28 Jahre, die Robinson auf
seiner Insel zubringt, überraschen. Aber es handelt sich ja, wie
erwähnt, um eine Vorstudie. Im Theaterstück wird diese Arbeit so nie
erscheinen.

Helmut Zapf

L (2010)
für Trompete in C und Flügelhorn in B

2010 konnte ich im workshop „trumpet totaly“ an der HfM Hanns
Eisler, bei dem Nathan Plante auch als Dozent und Solist mitwirkte,
mit ihm ein Solo erarbeiten, daß den Titel L trägt. In dieser Zeit
beschäftigte ich mich in einigen Kompositionen, wie in dieser auch,
mit der lydischen Skala. So entstand das Trio „Lydische Landschaft“
für Flöte, Cello und Akkordeon und die II. Partita „Lydia“ für
Violine und Live-Elektronik. Der sehr kurze Titel für das Solo »L«
steht für Luft, Lippe, Lachen, Lied, Liebe, leer, laut, leise und auch
lydisch. Der durchkomponierte Wechsel zwischen den beiden
Soloinstrumenten bestimmt den Formverlauf der Komposition und
unterstützt das assoziative Beschreiben der erwähnten L-Worte.

Andre Bartetzki

u-e-i-a-o (2012)
4-kanalige Computermusik UA

Geboren 1962 in Berlin begann Andre Bartetzki seine Berufsausbildung
und Arbeit als Tontechniker in den Rundfunkstudios der ehemaligen DDR.
Nach Absolvierung des Tonmeisterstudiums 1993 Gründung und Leitung des
Studios für elektroakustische Musik der Musikhochschule „Hanns Eisler“
Berlin bis 2002. Von 1999-2004 Dozent und technischer Leiter im
elektroakustischen Studio der Musikhochschule „Franz Liszt“ Weimar
sowie Lehrauftrag an der Bauhaus-Universität. Seit Ende 2009 leitet
er gemeinsam mit Volker Straebel das Elektronische Studio der TU-
Berlin. Andre Bartetzki gibt weltweit Workshops und Vorträge über
elektroakustische Komposition und Audioprogrammierung. Neben seiner
Lehrtätigkeit arbeitet er als Programmierer und Klangregisseur im
Bereich Neue Musik, Klang- und Medienkunst. Seit etwa 15 Jahren setzt
er eigene künstlerische Projekte, Kompositionen, Klang- und
Videoinstallationen um und ist häufiger Gast auf vielen
internationalen Festivals für zeitgenössische Musik und Computermusik
sowie Medienkunst. Er arbeitet mit zahlreichen Musikern, Tänzern und
Bildkünstlern zusammen. Er war Stipendiat und Gast im Künstlerhaus
Ahrenshoop, in der Denkmalschmiede Höfgen sowie am ZKM Karlsruhe. http://www.bartetzki.d
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Samir Odeh-Tamimi

Skϊa. Schatten. (2009)
für Klavier solo

Kriege in afrikanischen Ländern gibt es viele. Hunger und Not sowieso.
Zu tiefst bewegt und hilflos schaue ich auf die Bilder in den Medien,
die bei uns hier immer wieder zu sehen sind. Vor allen Bilder von
Kindern, die so sehr unterernährt sind. Kinder, von denen nur noch ein
Schatten zu sehen ist.

Helmut Zapf

evening song (2011/12)
für Trompete in C, Klavier und Live-Elektronik UA
(Auftragswerk des Berliner Senats 2011)

Nach einer Zusammenarbeit mit Nathan Plante und Ernst Surberg, die
beide meine Ballettmsik „Das Goldene Kalb“ mit dem Ensemble Mosaik
auf CD einspielten (2008), ergab sich ein Aufführungsprojekt des
Balletts, bei dem sie nochmals zu der bereits produzierten Musik live
auf der Bühne nach Vorgaben improvisierten, also mit sich selbst noch
einmal spielen konnten.
Da entstand der Wunsch, für beide ein Duo zu schreiben, bei dem sie
mit Mitteln der Elektronik wieder mit sich und den sie umgebenden
Dingen (Raum und Geräusche) musizieren/reagieren können. Der Titel
„evening song“ nimmt Bezug auf ein zur Expo (Hannover) ähnlich
konzipiertes Stück „Abendlied“ für 2 Posaunen und Violine mit
Live-Elektronik, bei dem der Raum und seine Publikumsgeräusche
ebenfalls integriert wurden.

Mit herzlichen Grüßen,
Ihre Rainer Rubbert und Martin Daske

BKA-Theater
Mehringdamm 34
10961 Berlin
Kartentelefon: 030 – 20 22 007

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