[ 1. Februar 2013 ]

HAMBURG – HEUTE, Kampnagel / klub katarakt: Partch, Fox, Muenz (WP), McLaughlin, Sabat (WP), Radulescu and Tenney

Von: Harald Muenz
Datum: 1. Februar 2013 09:37:14 MEZ

Hamburg, Kampnagel, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg
Festival klub katarakt

Freitag 01/02/2013, 19.30

Christopher Fox (*1955): BLANK (2002)
Harry Partch (1901-74): aus: Seventeen Lyrics by Li Po (1930-33): „The Intruder“, „On Hearing the Flute at Lo-cheng“, „I am a Peach Tree“
Harry Partch (1901-74): By the Rivers of Babylon (1932)
Harald Muenz (*1965): stein-sum (2011-12, UA)
Scott McLaughlin (*1975): at least two things (2011)
Marc Sabat (*1965): Air-Spit-Tune (1997/2013, UA)
James Tenney (1934-2006): Harmonium #1 (1976)

Trio Scordatura:
Alfrun Schmid, voice, violin
Elisabeth Smalt, viola, viola d’amore, Adapted Viola
Bob Gilmore, keyboard

mit
Keiko Shichijo, keyboard
Scott Mc Laughlin, sound

Das Konzert wird eine Woche später in der Kunst-Station Sankt Peter, Köln wiederholt (Freitag 08/02/2013, 20.00, ohne Radulescu).

Das Trio Scordatura aus Amsterdam eröffnet den dritten Festivaltag. Das Ensemble in der Besetzung Stimme (Alfrun Schmid), Viola (Elisabeth Smalt), Keyboard (Bob Gilmore, Keiko Shichijo) ist auf mikrotonale Musik spezialisiert. Scordatura spielt ein Programm mit Werken der Pioniere experimenteller Musik Harry Partch, James Tenney und Horatiu Radulescu, zwei Uraufführungen (des Kanadiers Marc Sabat und des Kölners Harald Muenz), sowie Werke von Christopher Fox (London) und Scott McLaughlin (Huddersfield).

Die Bratschistin Elisabeth Smalt spielt eine der wenigen autorisierten Kopien der „adapted viola“ in Europa, die Partch entwarf, um seine elaborierten 43-Ton Skalen spielen zu können. In Muenz‘ Uraufführung wird sie zur Viola d’amore wechseln.

Harald Muenz schreibt über seine neue Komposition „stein-sum“:
„Es wäre wohl ungerecht, die westeuropäische Neue Musik lediglich in ein einziges Klagelied auf die verlorene Dur-Moll-Tonalität zusammenschnurren zu lassen, nachdem wir ein 20. Jahrhundert unerhört faszinierender Kompositionen hinter uns haben. Aber die Suche nach dem verlorenen Sinn der Zusammenklänge ist aktuell und direkt mit der Frage nach der Auflösung des scheinbar unumstößlichen Systems der modernen Klavierstimmung verbunden.

Wollte man die eben losgewordene Ton-Ordnung gleich wieder durch ein neues Stimmungs-System ersetzen, wäre die Möglichkeit zu einer vielfarbig changierenden Harmonik dahin. In stein-sum verfolgte ich die Vorstellung einer „Freien Mikrotonalität“ und gehe von einem Tonhöhenkontinuum ganz ohne fixierte Stufen aus, das ich beim Komponieren prinzipiell frei unterteilen kann. Als Bezugspunkt für intonatorisch-harmonische Verschiebungen wählte ich den Ton D. Die anfänglich 12tönig temperierte Intonation weicht bald reinen Stimmungen über wechselnden Grundtönen, die immer höhere Obertöne miteinbeziehen. „Modulationen“ finden über gemeinsame oder angenäherte Tonhöhen zwischen den einzelnen Abschnitten statt. Besonders interessiert hat mich die Mehrdeutigkeit verschiedener Intonationsstufen der Terz.

Die Sängerin ist als gleichberechtigtes Mitglied ins Kammertrio integriert. Ihr Part macht einen einzelnen Satz von Gertrude Stein zur Grundlage semantischer und phonetischer Variationen: „it was a way a day, this made some sum.“ Er entstammt dem experimentellen Prosawerk Tender Buttons. Schon 1914 stellte Stein hier Narratives zugunsten ungewöhnlicher Wortfolgen, -wiederholungen und -neubildungen hintan; sie fokussierte die Sprache selbst und erreichte eine quasi-musikalische Vieldeutigkeit in ihrer Dichtkunst.

Solcher Sprachbehandlung vergleichbar beruhen die unterschiedlich pulsierenden melodischen Linien der drei Musiker in stein-sum ebenfalls auf Variationen eines einzigen Ausgangspatterns. Der Fluß der drei Stimmen visiert einen geistigen Raum, in dem freie und starke Individuen ihre Kräfte immer wieder zu gemeinsamer Aktion bündeln.“

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