[ 19. Mai 2010 ]

NACHRUF – Johannes Fritsch (1941-2010)

Prof. Johannes Fritsch
27. Juli 1941 – 29. April 2010
ein Nachruf auf unser DEGEM Mitglied und langjährigen ersten  
Vorsitzenden des INMM

Am 29. April starb der Komponist, Lehrer und Verleger Johannes Fritsch  
im Alter von 68 Jahren in Bonn. Die DEGEM trauert um einen  
einzigartigen, großzügigen Menschen und Freund. Er wird uns nicht nur  
durch sein Werk und unermüdliches Wirken für die Sache der Neuen Musik  
in Erinnerung bleiben. Wir erinnern uns auch mit Dankbarkeit an seine  
menschliche Integrität, seinen Humor, seine Zuverlässigkeit und die  
Beharrlichkeit, mit der er auch für unpopuläre Randgebiete der  
zeitgenössischen Musik, die nicht im etablierten Verlags- und  
Konzertleben Fuß fassen konnten, eintrat. Sein umfassendes Wissen und  
sein großer Bildungshorizont, der weit über die Belange der Musik  
hinausreichte, machten ihn zu einem faszinierenden, Respekt  
einflößenden Lehrer. Mit Johannes Fritsch und seinen lebenslangen  
Aktivitäten verlässt uns auch eine wichtige Facette in der Vielfalt  
des heutigen Musiklebens.

Geb. am 27. Juli 1941 in Bensheim-Auerbach an der Bergstraße,  
studierte Johannes Fritsch an der Universität und der Musikhochschule  
in Köln Musikwissenschaft, Soziologie, Philosophie, Viola und  
Komposition bei Bernd Alois Zimmermann. Von 1965 – 70 war er Mitglied  
des Stockhausen Ensembles und konzertierte mit diesem weltweit.
Als Komponist erhielt Johannes Fritsch zahlreiche Auszeichnungen, u.  
a. den Preis der Biennale Paris, den Robert Schumann Preis der Stadt  
Düsseldorf und ein Stipendium in der Villa Massimo Rom. Seine Werke  
wurden und werden nahezu in aller Welt in bedeutenden Festivals und  
Konzertreihen gespielt. Viele wurden von Rundfunkanstalten produziert  
und  sind auf CD erschienen.
In den Jahren 1970 und 1971 gründete Johannes Fritsch zusammen mit den  
Komponisten Rolf Gehlhaar und David Johnson das Feedback Studio und  
den Feedback Studio Verlag, den ersten Deutschen Komponistenverlag.  
Studio und Verlag wurden zur Wirkungsstätte des Verlegers, Autors,  
Herausgebers und Veranstalters Johannes Fritsch. Hier publizierte er  
seine Werke und die von 20 weiteren Komponisten, die Feedback Papers,  
Bücher zu Weltmusik Kongressen und CDs. In den Räumen des Feedback  
Studios veranstaltete er mehr als 30 Jahre lang kleine Konzerte, die  
so genannten Hinterhausmusiken. Sie waren ein Forum für neuste  
Strömungen der zeitgenössischen Musik und eine wichtige Station auf  
den Konzertreisen vieler Komponisten und Musiker aus anderen  
europäischen Ländern und Kontinenten.
Der Lehrer Johannes Fritsch unterrichtete ein breites Spektrum an  
Fächern an verschiedenen Institutionen: natürlich Komposition, aber  
auch Musiktheorie, Analyse, Musikästhetik, Musiksoziologie,  
Improvisation, allgemeine Harmonik u. a. Sein Weg als Lehrer führte  
vom Konservatorium der Stadt Köln zur Akademie für Tonkunst in  
Darmstadt. Hier lernte er seine zweite Frau, Prof. Dr. Ingrid Fritsch,  
kennen, die damals Klavier studierte und später Musikwissenschaftlerin  
und Japanologin wurde. Auch ihre Eheschließung 1974 und die Geburt  
ihrer Tochter Lena Fritsch, 1982, fallen noch in diese „Darmstädter  
Zeit“.
1984 wurde Johannes Fritsch an die Musikhochschule Köln berufen, wo er  
als Professor für Komposition lehrte. Er war Dozent bei den  
Darmstädter Ferienkursen und arbeitete von 1974 bis 1998, also fast 25  
Jahre, im Vorstand des Darmstädter Institutes für Neue Musik und  
Musikerziehung, viele Jahre davon als erster Vorsitzender.

KOMPONIST
Das kompositorische Schaffen von Johannes Fritsch ist vielschichtig  
und schwer zu erfassen. Geprägt durch die abendländische  
Musikgeschichte vom Mittelalter bis zur Moderne, durch  
Komponistenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts so unterschiedlich  
wie Bernd-Alois Zimmermann, Karlheinz Stockhausen und Morton Feldman  
und durch ein tiefes Interesse an außereuropäischer Musik hat Fritsch  
über 127 Werke für alle Besetzungen und Gattungen geschrieben. Seine  
Musik ist außerordentlich vielfältig und richtet ihren Fokus fast von  
Stück zu Stück auf unterschiedlichste inhaltliche,  
kompositionstechnische, philosophisch-ästhetische oder strukturelle  
Aspekte. Man mag sich fragen, warum Fritsch, der in zahlreichen seiner  
Stücke eine eigene Musiksprache gefunden hatte, sich diese nicht als  
Markenzeichen zu Eigen machte und fortan Musik im Stile Fritschs  
produzierte.
Er tat es nicht und suchte in seinen Kompositionen immer wieder neue  
Herausforderungen und Unbekanntes. Er verarbeitete musikalische  
Einflüsse und Eindrücke aus unterschiedlichsten Zeiten und Kulturen,  
und ließ Klangwelten, die er sich kompositorisch einmal erschlossen  
hatte, in der Regel schnell wieder hinter sich, um sie bestenfalls  
Jahre später noch einmal aufzusuchen und unter veränderten  
Voraussetzungen erneut zu durchdringen. War es Desinteresse, auf  
bereits ausgetretenen Pfaden zu wandeln oder verbergen sich hinter der  
Wandelbarkeit seines Werkes die eigenen Zweifel an allem, was aus der  
Sphäre der Ideen und Gedanken eine konkrete und endgültige Form  
angenommen hat?
Johannes Fritsch schuf Werke elektronischer Musik, z. B. 1964 die  
Komposition Fabula Rasa. Es ist abstrakte, ungemein kraftvolle Musik,  
von der Fritsch sagte, sie hätte Entsprechungen zu archetypischen  
Prozessen in der Natur, wie Stürme oder Gewitter. Unter völlig anderen  
ästhetischen Prämissen entstand die ebenfalls elektronische  
Komposition Modulation IV von 1968. In ihr werden nahezu  
ausschließlich konkrete Klangereignisse, Außenaufnahmen und bereits  
existierende klassische und populäre Musik bis hin zu einer James Bond  
Titelmelodie (Du Lebst nur zweimal) zu einer dichten Collage verwoben.  
Es  ist eine radikale Abkehr vom puristischen Erzeugen elektronischer  
Klänge am Sinustongenerator, ein Hineinhorchen in die schrille,  
lebendige, aber auch verstörende Welt zwischen Attraktion und Ablehnung.
Ein weiteres Thema in Fritschs Werk ist seit den frühen 60er Jahren  
die Verwendung von Live-Elektronik, beispielsweise in der Komposition  
Partita von 1965/66 für Viola, Kontaktmikrofone, Filter und Regler.  
Gleich drei Musiker bedienen das live-elektronische Instrumentarium,  
das die Klänge des einzelnen Violaspielers moduliert und in  
verfremdeten Kanons reproduziert.
Trotz der Konzentration auf sein kompositorisches Schaffen blieb  
Johannes Fritsch zeitlebens Musiker und Improvisator. Er entwickelte  
eine eigene Form der strukturierten Improvisation oder die  
Improvisationskomposition. Das prominenteste dieser Werke ist sicher  
Violectra, ein Stück für Viola d´Amore und Synthesizer, das Fritsch  
seit 1971 in vielen Ländern Europas, in Amerika und Japan aufgeführt  
hat. Die zahlreichen Aufnahmen dokumentieren den Weg eines Werks durch  
35 Jahre Musikgeschichte und ästhetischen Wandel. Der Kern der  
Komposition – das tonale Zentrum, aufgespalten im Prisma der  
Ringmodulation, die langsamen musikalischen Prozesse im Kontrast zum  
energiegeladenen Tremolospiel, oft bis zur Erschöpfung – ist immer  
erkennbar. Seine musikalische Ausgestaltung ist allerdings wechselhaft  
und spiegelt Fritschs Auseinandersetzung mit Themen der Zeit und  
ästhetischen Moden. Violectra ist eine Art klingende Selbstbiographie  
des improvisierenden Komponisten.
Ein weiterer Aspekt in Fritschs Werk ist die Interkulturalität. Die  
ersten Stücke, die sich diesem Thema annehmen sind Kyo Mu für  
Shakuhachi und Tonband von 1982 und Nagori für Shamisen und Stimme von  
1987.
In einer Vielzahl seiner Stücke komponiert Fritsch mit bereits  
existierender Musik oder inhaltlich aufgeladenem klanglichen Material.  
Er arbeitet mit präzisen oder stilistisch assoziativen Zitaten aus  
Klassik, Pop, Jazz und schafft eine Metakomposition durch neues  
Verknüpfen bereits formulierter musikalischer Inhalte. Dieses  
gewichtige Thema in Fritschs Werk findet sich in zahlreichen seiner  
Kammermusiken, aber auch in allen Orchesterwerken in unterschiedlicher  
Ausprägung. Zuerst in Akroasis von 1966/68, zuletzt im Konzertstück  
für zwei Schlagzeuger und Orchester von 1999. Hier sind zu verwischten  
Erinnerungen aus der abendländischen Musikgeschichte auch Texte aus  
dem I Ging, Vogelstimmen, drumcomputer und das Schnarren mechanischer  
Spielzeuge zu hören – ein riesiger Brückenschlag vom Alltäglichen zum  
Besonderen, vom Profanen zum Heiligen. Diese Werke sind Musik für den  
gebildeten Hörer. Denn wer die vielfältigen, teilweise versteckten  
Zitate nicht erkennt, dem entgehen wichtige Aspekte in der  
beziehungsreichen Gesamtdramaturgie des Werks.
Mindestens so wesentlich für sein Werk wie die eben beschriebene  
Metakomposition ist Fritschs Auseinandersetzung mit verschiedenen  
Tonsystemen, mit Mikrotonalität und reiner Stimmung oder sagen wir:  
mit der Schnittmenge von Tönen und Zahlen. Am deutlichsten tritt  
dieser Aspekt in zwei Werken aus dem Jahr 1973 hervor: In Musica  
Mundana, einer Transposition der Planetenbahnen in den Hörbereich und  
in Übersetzung von Emotion in Proportion, einem Orgelwerk in 7 Teilen.  
Aber auch im Streichtrio 2006 erweitern rein gestimmte 5., 7. und 11.  
Obertöne die Skala der chromatisch temperierten Intervalle.
Das Streichtrio 2006 verweist aber noch auf einen weiteren Aspekt, der  
Fritschs Musik seit den 80er Jahren zunehmend bestimmt. Es ist die  
Reduktion des Materials, die Beschränkung auf das Wesentlichste, das  
nötig ist, um einer Komposition Form und Gestalt zu geben und die  
glasklare Artikulation desselben. Wiederholungen abgeschlossener  
Gedanken, die fast übergangslos nebeneinander stehen, vollkommene  
Durchhörbarkeit, kein Verstecken hinter komplexen Konstruktionen,  
langsame Tempi, einfache Rhythmen und keinerlei Zeitdruck zeichnen  
dieses Komponieren aus.
So schreibt Johannes Fritsch im Vorwort zum Damals-Tryptichon von 1992  
für 3 Stimmen und 6 Instrumente von der „Klarheit und Bescheidenheit,  
nur das Notwendigste und Richtigste zu sagen und diesen Inhalt in die  
angemessene Form zu bringen – so wie der Damals-Text von Beckett mit  
all seinen Wiederholungen und Variationen es unnachahmlich geleistet  
hat.“

AUTOR UND VERLEGER
Johannes Fritschs Aktivitäten als Autor, Verleger, Herausgeber,  
Veranstalter und damit als Mitgestalter des Kölner und des Deutschen  
Musiklebens sind eng verflochten mit dem Kölner Feedback Studio  
Verlag. In zwei Etagen eines Hinterhauses im Kölner Belgischen Viertel  
befanden sich die Verlagsräume und das Aufnahmestudio, das  
gleichzeitig als Veranstaltungsraum für die Hinterhausmusiken diente.  
Heute würde man diesen Ort wohl als „Zentrum der Musikvermittlung“  
bezeichnen. Aber vor vierzig Jahren, als Fritsch diese Arbeit im  
Dienste der Vielfalt der zeitgenössischen Musik begann, war der  
Begriff der „Musikvermittlung“ noch lange nicht vom kulturpolitischen  
Sprachgebrauch geprägt.
Das Verlagsprogramm des ersten Deutschen Komponistenverlags besteht  
heute aus ca. 300 Titeln von 20 Urhebern. Es vereint ohne kommerzielle  
Präferenzen etablierte Komponisten und Außenseiter der  
zeitgenössischen Musik unter der Prämisse der künstlerischen  
Originalität und Qualität. Unter den ersten Verlagsautoren finden sich  
die Namen Klarenz Barlow, Michael von Biel, Peter Eötvös, Rolf  
Gehlhaar, David Johnson, Messias Maiguashca und John McGuire.
Seit 1971 fanden im Feedback Studio gut 150 „Hinterhausmusiken“ statt:  
Portraitkonzerte junger Komponisten der Kölner und der internationalen  
Avantgarde, Vorträge und Workshops von Komponisten und Interpreten  
Neuer Musik und Konzerte mit außereuropäischer Musik. In diesem  
Zusammenhang sei auch auf die Weltmusikkongresse aus den 70er und 80er  
Jahren verwiesen, die das Feedback Studio in Kooperation mit der AG  
Musik in Ostwestfalen-Lippe und dessen Leiter Peter Ausländer  
veranstaltete. Die Publikationen und Konzertmitschnitte dieser  
Kongresse sind heute noch ein reicher Fundus von ebenso authentischen  
wie differenzierten Darstellungen der Musik anderer Kulturen.
Das Feedback Studio und der Herausgeber Johannes Fritsch publizierten  
35 Jahren lang eine eigene Schriftenreihe, die Feedback Papers. Die  
Reihe umfasst 46 Hefte und Bücher und zeichnet eine Geschichte der  
Neuen Musik abseits der philharmonischen Hauptwege und etablierten  
Festivals. In den letzten Tagen erschien in dieser Reihe das Buch  
Musik und Sprache, literarische Aspekte in den Kompositionen von  
Johannes Fritsch von Oxana Omeltschuk.
Johannes Fritsch selbst ist Autor von 36 längeren Texten und Essays zu  
kompositionstechnischen, musikästhetischen und musiksoziologischen  
Themen. Viele davon sind in den Feedback Papers erschienen und wecken  
das Interesse des Lesers mit Titeln wie Die Erschaffung der Weltseele  
in Platons Timaios, Die Tonalität des Harry Partch, Musik und  
Kybernetik, Musik und Symmetrie oder Mickey-Mouse-Assoziationen. Vor  
drei Wochen erschienen seine gesammelten Schriften, Vorträge,  
Interviews und Werkkommentare (1964-2006) beim Schot Verlag in einem  
Band mit dem Titel Über den Inhalt von Musik.

LEHRER
Der Lehrer Johannes Fritsch war der Vielfalt der zeitgenössischen  
Musik gegenüber offen und aufgeschlossen. Ihn interessierte aufrichtig  
die Musik Anderer. Viele Facetten außereuropäischer Musik waren ihm  
bekannt und geschätzt. Ästhetische Gegenpole wie Schönberg,  
Stravinsky, Stockhausen, Zimmermann, Rihm, Zimmermann (Walter), Cage,  
Boulez, Feldman und Partch waren ebenso Gegenstand seines Unterrichts  
wie Obertongesang der Mongolei, nordindische Kunstmusik, indonesisches  
Gamelanorchester oder japanische Shakuhachi Musik. In seinen  
Lehrveranstaltungen wurde über die Schriften von Dahlhaus und Adorno  
sowie von mittelalterlichen Gelehrten und altgriechischen Philosophen  
diskutiert und gestritten. Neben Analysestunden und Seminaren zu  
vielfältigen Themen der Neuen Musik unterrichtete er so  
entgegengesetzte Fächer wie Improvisation und Musikästhetik oder ein  
Fach namens „Allgemeine Harmonik“ in dem über Zahlen und  
Schwingungsverhältnisse gegrübelt wurde.
Zu offen, zu informiert und gebildet, als dass er Rezepte für  
richtiges oder falsches Komponieren lehren konnte, förderte Johannes  
Fritsch insbesondere die Eigenart eines jeden Schülers. Und die  
äußerst unterschiedliche Musik von z. B. Georg Hajdu, hans. w. koch,  
Sigfried Koepf, Harald Münz, Oxana Omeltschuk, Markus Schmickler,  
Volker Staub, Andreas Wagner und Caspar Johannes Walter ist ein Beleg  
für den Lehrer, der seine Schüler darin unterstützt, das Eigene zu  
finden und auszudrücken. Wie kaum ein Anderer hatte er die Gabe, das  
Potenzial und den individuellen künstlerischen Weg des einzelnen  
Schülers zu erkennen und zu fördern.
Komplexe Fragen beantwortete er selten aus der Perspektive der eigenen  
Meinung, sondern mitunter durch Verweise auf noch komplexere  
Literatur: „Wenn Sie sich mit dem Verbindenden zwischen den Künsten  
beschäftigen wollen, dann lesen Sie doch Cassirers Philosophie der  
Symbolischen Formen“, oder: „in der Mythologica von Claude Lévi  
Strauss gibt es hochinteressante Ausführungen über den Sprachcharakter  
der Musik“, oder: „im Timaios und im Staat sind Platons wichtigste  
Gedanken zur Weltenharmonie formuliert.“ Auf diese Weise lernten seine  
Schüler Bücher und Denker kennen, die ein Leben lang faszinieren.

Ich habe Johannes Fritsch als einen äußerst großzügigen Menschen  
kennen gelernt, der auch außerhalb des Unterrichts, in Mittagspausen  
oder nach Konzerten gerne mit seinen Studenten zusammen war und häufig  
alle ohne großes Aufheben einlud. Er war ein Professor, der ganz  
selbstverständlich jede Arbeit machte, Konzerteinladungen und  
Programme kopierte, frankierte oder Adressen klebte, der nach  
Konzerten Lautsprecher, Instrumente und Notenpulte schleppte oder bei  
Hinterhausmusiken das teilweise spärliche Publikum mit Handschlag  
begrüßte. Er war ein Komponist und Verleger, der sich für die Sache  
und die Menschen, die er schätzte, stark machte, ohne hierdurch einen  
eigenen Gewinn zu erzielen.
Johannes Fritsch hatte auch zeitlebens einen Hang zum  
Unkonventionellen, vielleicht sogar zum Subversiven. Er hatte Respekt  
vor Menschen, die in kein Schema passten und keinem geradlinigen  
Lebens- und Karriereweg folgten. Er nannte sie liebevoll „Originale“,  
Einzelne eben, von denen es keine Kopien oder Serien gab. So  
publizierte der hoch gebildete Musik-Akademiker auch ein Buch über  
Straßenmusik in Köln.
Ich erinnere mich gerne an die Improvisationsstunden, die er in die  
Hügellandschaft des Odenwaldes verlegte. Ein Hörraum ohne Wände in dem  
sich Musik und Umweltgeräusche aus verschiedenen Richtungen  
vermischten und durchdrangen. Die Kursteilnehmer schlugen sich  
improvisierend und lauschend in die Büsche, stolperten durch das  
Unterholz und fanden, wenn der Orientierungssinn nicht versagte, nach  
einigen Stunden bei Einbruch der Dunkelheit auf einer Lichtung  
zusammen, wo Fritsch seine Schüler durch Schläge auf  einen  
Backblechgong wieder zusammenrief – das Backblech erzeugte, nebenbei  
bemerkt, unharmonische Obertonspektren.

Johannes Fritsch starb am 29. April 2010 nach langer und schwerer  
Krankheit in Bonn.
Wir trauern um einen großen Künstler und einzigartigen Menschen. Er  
hat Spuren in unserer Erinnerung, in unserem Handeln und in unseren  
Herzen hinterlassen und wir sind dankbar für die lehrreichen,  
inspirierenden, andächtigen und auch unbeschwerten Stunden, die wir in  
seiner Gegenwart verbringen durften.

für den Vorstand des INMM
im Mai 2010
Volker Staub