Subject: PR1 Flyer
From: Gottfried Michael Koenig
Gottfried Michael Koenig: Projekt 1 (1964)
In SuperCollider neu programmiert von Rainer Wehinger (2015)
G.M. Koenig über Projekt 1:
„Projekt 1 dient dem Zweck, durch Reihung gleicher oder verschiedener
Dauern die musikalische Zeit zu artikulieren. Jeder Zeitpunkt wird mit
einem Akkord gleicher oder wechselnder Tonanzahl besetzt. Die Akkordtöne
werden durch gleiche oder verschiedene Register (Oktavlagen)
spezifiziert, der Akkordfolge werden gleiche oder wechselnde Instrumente
und Lautstärken zugeordnet. Auf diese Weise entstehen für jeden
Parameter Felder, die mit dem Begriffspaar Periodizität/Aperiodizität
bezeichnet werden können.Maximale Aperiodizität entsteht, wenn alle zu
einer Reihe geordneten Parameterwerte wiederholungslos abgespielt
werden; Periodizität entsteht, wenn ein einzelner Parameterwert mehr
oder weniger häufig wiederholt wird (Gruppe). Reihen und Gruppen werden
mithilfe von Selektionsprozessen generiert.
Das von Projekt 1 erzeugte Resultat ist eine Partiturtabelle, in der die
Parameter spaltenweise angeordnet sind. Sie besteht aus Sektionen, jede
Zeile beschreibt einen Zeitpunkt und seine Artikulation durch die
verschiedenen Parameter. Da es sich hierbei nur um ein strukturelles
Gerüst handelt, das in unterschiedlicher Weise ausgearbeitet werden
kann, bedarf es der Interpretation durch den Komponisten.
Das Verfahren geht von der Annahme aus, dass der Komponist seinem Werk
ein konstruktives, nach Parametern aufgeschlüsseltes Verhältnis der
Daten zueinander zugrunde legen will und dies mit den Mitteln von
Projekt 1 erreichen zu können glaubt.“
[Quelle: G.M. Koenig, „Hilfebündel“, Manuskript o.J.]
Rainer Wehinger über PR1-SC (Fassung für SuperCollider):
Projekt 1 generiert Strukturvorschläge für Instrumentalmusik. Seine
Entwicklung fällt in eine Arbeitsphase des Komponisten, die im Zeichen
seiner zunehmenden Kritik am Serialismus steht. PR1 beinhaltet
Kompositionsregeln, die graduell unterschiedlichen Einbezug von
Zufallsmomenten ebenso umfassen wie konstruktive Vorgaben: Beides
zusammen bildet die Grundlage für eine strukturbestimmte
Kompositionstechnik.
Koenig hat bis heute seine instrumentalen Werke (nach 1964)
gröfltenteils mittels PR 1 komponiert. Für sein Lebenswerk, darunter auch
die beiden Computerprogramme PR 1 und PR 2, erhielt er 2010 den
Giga-Hertz-Preis des „Zentrum für Kunst- und Medientechnologie“ (ZKM)
Karlsruhe.
Für die vorliegende ‹bertragung in die Echtzeit-Musik-Sprache
SuperCollider (McCartny 1996) gab es eine mehrfache Zielsetzung:
Das Programm PR1-SC sollte Koenigs Projekt 1 – als Dokument frühester
Computermusik in Europa – zu Kompositions- und zu Studienzwecken
erhalten. Zum anderen möchte es als Einsteigshilfe in die Klangsynthese
dienen mit einer der derzeit aktuellsten Musikcomputersprachen – und
eine Diskussion anregen über die ƒsthetik einer Wechselwirkung zwischen
strukturellen und klanglichen Prozessen.
Das Programm ermöglicht zwei Arbeitsweisen: eine quasi historische, die
eine „Partiturtabelle“ zur ‹bertragung in Notentext erzeugt.
Und eine zweite, welche die Echtzeit-Klangsynthese von SuperCollider zur
Produktion einer Komposition verwendet.Da es in einer
SuperCollider-Performance einen aus den Strukturdaten abgeleiteten und
interpretierten Notentext nicht gibt, wurden verschiedene optional
einsetzbare Erweiterungen implementiert:
– Neben den fünf PR1-Parametern wurden acht weitere (zunächst) abstrakte
Parameter vorzugsweise für Klangsynthese vorgesehen. Sie „verhalten“
sich exakt wie PR1-Parameter.
– Eine Ausgabe als Standard-MIDI-File erlaubt, die Ergebnisse in einer
DAW weiter verarbeiten („interpretieren“) zu können.
– Eine einfache „Pianorollen-Graphik“ kann das Resultat optisch abbilden.
– Für multimediale Projekte ist ein Output über OSC (Open Sound Control)
eingerichtet, der in Echtzeit die Klangdaten an die Plattform
„Processing“ sendet.
– Eine attraktive Erweiterung dürfte auch die Möglichkeit sein,
Formabschnitte nicht nur hintereinander, sondern auch gleichzeitig
abzuspielen: Strukturelle und klangliche Schichtungen können nun einfach
experimentell erstellt, beurteilt und produziert werden.
– Da ebenfalls ein „Tempofaktor“ implementiert ist, kann auch eine
Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Zeitstrukturen realisiert werden.
– Ein Bedien-Panel ermöglicht Zugriff auf die Klanggestaltung während
der Wiedergabe.
– Audio-Aufnahme der generierten Klangstrukturen.
– Für Klanginstallationen wurde eine Automatik entwickelt: Unablässig
und ohne weiteres Zutun werden Sektionen – mit jeweils anderen
Zufallsdaten – errechnet und abgespielt.
Das Programm PR1-SC umfasst eine Reihe von kompakten
„Software-Synthesizern“, die jeweils auf unterschiedlichen
Klangsyntheseverfahren beruhen (additive, subtraktive Synthese, mehrere
granulare Verfahren, Frequenzmodulation, mehrere FFT-Verfahren wie z.B.
Phasenvocoder).
Diese relativ übersichtlichen Programmabschnitte eignen sich als
Einstieg in Supercollider, da einfachste Modifikationen getätigt werden
können, ohne sich in komplexem Code zu verlieren. Das Ergebnis kann
gleich nach der Berechnung im Kontext einer PR1-Struktur angehört werden.
Die Klangdefinitionen sind in einem separaten Programm zusammengefasst
und mit Schnittstellen zum Hauptprogramm versehen: dem Benutzer soll so
die Möglichkeit gegeben werden, in einer einfachen Programmumgebung
selbst neue Klänge zu entwickeln.
PR1-SC wird unter der GNU General Public License v3 veröffentlicht und
läuft auf den Betriebssystemen Windows (getestet 7, 8), MacOS (getestet
10.7) sowie Linux (getestet 14.04 Ubuntu Studio).
Für Interessenten im Hochschulumfeld können Vorträge und Seminare
angeboten werden, auch unter begleitender und beratender Mitwirkung von
G.M. Koenig:
R. Wehinger: Einführung in PR1-SC
Kontaktadressen:
g.koenig(at)ziggo(dot)nl
rainer(dot)wehinger(at)t-online(dot)de
Ende des Monats sollte das Programmpaket (SC, PR1, Manual) von meiner
Webseite heruntergeladen werden können
(www.koenigproject.nl).
Die mir bekannten Interessenten werden darüber
benachrichtigt.
GM Koenig