[ 1. August 2012 ]

PUBLIKATION – Neues zur Klangkunst

Von:
Betreff: Neues zur Klangkunst und nicht mehr ganz so Neues zu anderen Themen aus der Werkstatt Hanns-Werner Heisters
Datum: 31. Juli 2012 11:45:43 MESZ

Hintergrund Klangkunst. Ein Beitrag zur akustischen Ökologie

Klangkunst war ursprünglich vor allem so etwas wie „Klangskulptur“, eine Verbindung von Musik und Bildender Kunst, überdies noch mit Bewegung verbunden – modellhaft waren unter anderem die geräuschvollen Maschinen-Skulpturen von Jean Tinguely. Inzwischen ist Klangkunst zu einem Massenphänomen im Segment der musikalischen postmodernen Avantgarde geworden. Ihre ProtagonistInnen und PropagandistInnen beanspruchen sogar oft, dass Klangkunst die alte Tonkunst abgelöst habe. Was Klangkunst im engeren Sinn genau ist, verschwimmt dabei immer mehr.
Heister umreißt erstmals genauer und systematisch definitorisch die Merkmale von Klangkunst und grenzt sie auch ansonsten ein.
Sie ist elektrifizierte und weitgehend computerisierte, vorherrschend instrumentale, „absolute“ Musik, antimimetisch und asemantisch. Soweit vom Standpunkt der Musik. Vom Standpunkt der Bildenden Kunst aus ist Klangkunst wohl am besten als Weiterentwicklung von Skulptur und Environment zu bestimmen. Eigenartig ist, dass eine Kunstströmung, die auch aus der Verbindung zweier Künste entstand, so betont das Zentrale von Musik, nämlich Klang im Namen führt, obwohl sie doch ‚für Augen und Ohren’ gedacht ist. Eine Erklärung wäre die verbreitete Gleichsetzung von „Kunst“ mit Bildender Kunst. Vom Standpunkt des Theater aus schließlich ist Klangkunst eine Vergegenständlichung und Technisierung des Happening-Typus mit Beschränkung oder Entfernung der Aktionen.
Die besonderen Unterscheidungsmerkmale sind, wiederum vom Standpunkt der Musik aus formuliert: vorwiegend „topographische“ Musik durch mimetische Beziehungen zum Aufstellungsort, Kopplung von Musik und Bildender Kunst, mit potentiell theatralen Komponenten, „interaktive Kunst“ mit Objekt-Objekt oder Objekt-Subjekt-Beziehungen, ‚Live-Elektronik’ durch Mitwirkung professioneller KünstlerInnen, öffentliche Kunst, schließlich Funktionsweise als autonome Kunst oder als ‚funktionelle Musik’.
Heister wendet sich gegen die Okkupation öffentlicher Räume durch Klangkunst, ob in Bibliotheken oder auf städtischen Plätzen und Straßen oder in Naturräumen, und kritisiert das als Ausgreifen von Privatinteressen. Dabei arbeitet er Parallelen zur allgegenwärtigen Hintergrundmusik heraus. Unbestellt und ungewünscht, ist diese Verwendung von Klangkunst ein elitistisches Gegenstück zur populistischen „Muzak“, der vorgefertigten „topographischen“ und rein instrumentalen Musik für verschiedene Orte und Anwendungen.
Diese klangökologische Kritik Heisters betrifft diejenige Klangkunst nicht, die sich damit bescheidet, als freiwillig gehörte und gesehene Kunst zu wirken. Für eine ästhetische Kritik der Werke bzw. Objekte gibt es aber auch da Ansatzpunkte. So findet Heister zwar manches Gelungene, klanglich und optisch Ansprechende, Wirklichkeitsbezogene, Witzige. Er zeigt aber den Konformismus und den maßgeblichen Mangel an Welthaltigkeit und an kritisch-veränderungsfördernder Stellungnahme in vorherrschenden Richtungen der Klangkunst.

Hintergrund Klangkunst. Ein Beitrag zur akustischen Ökologie (edition neue zeitschrift für musik, hrg. Rolf W. Stoll), Mainz 2010, 206 S. – Hardcover, 22,95 €
ISBN 978-3-7957- 0225-3, Bestellnr. NZ 5017

————————————