[ 3. März 2011 ]

RADIO – Hörspiel auf rbb: Gesicht verloren

Von: susanne stelzenbach
Datum: 3. März 2011 09:10:04 MEZ
Betreff: rbb-Kulturradio – Hörspiel: Gesicht verloren
Programmhinweis:

Freitag, 04. März 2011 | 22.04 Uhr bei Kulturradio
http://www.kulturradio.de

Hörspiel: Gesicht verloren
von Barbara Kenneweg
Komposition: Susanne Stelzenbach

Mit Anne-Isabelle Zils, Gabor Biedermann, Tayfun Bademsoy, Kathrin
Angerer, Adrian und Julius Kenneweg

Regie: Barbara Kenneweg
Produktion: rbb 2011

Das Hörspiel ist der Versuch, für das Problem, dass Hatun Sürücü am 7.
Februar 2005 in Berlin-Tempelhof von ihrem Bruder erschossen wurde,
eine Lösung zu finden. Dieser Versuch ist natürlich zum Scheitern
verurteilt.

Der Text thematisiert nicht das Scheitern, sondern durchlebt es, ist
ein Scheitern. Dass das Scheitern nicht nur zum Leben dazugehört,
sondern vielleicht eine seiner interessanteren Facetten darstellt, ist
schon lange bekannt und wurde in unserem Kulturkreis seit Ende des
Zweiten Weltkriegs häufig thematisiert. Vor vielen Jahren schenkte
einer meiner Theaterlehrer mir augenzwinkernd eine Karte mit einem
Satz von Beckett:

„you tried – you failed – no matter / try again – fail again – fail
better.“

Jetzt, einige Jahre nach der Entstehung, erinnert Gesicht verloren
mich an eine Fliege, die gegen eine Glasscheibe fliegt, um nach
draußen zu gelangen. Das passt gut, denn der Trost, der am Ende des
Textes heraufbeschworen wird, ist William Blakes ebenso einfaches wie
unbegreifliches Gedicht über Leben und
Sterben einer Fliege (The Fly).

Die Hauptfigur (gesprochen von Anne-Isabelle Zils) scheitert
schillernd, kraftvoll und manchmal auch lachhaft an einer
Zeitungsnotiz, die von dem Mord an Hatun berichtet. Sie sucht in ihrem
kulturellen Erbe, in der Dichtung, in Filmschnipseln, aber auch in der
Natur ein Antidot gegen den gewaltsamen Tod. Sie findet immer wieder
Verzückung, nicht aber ein Nachlassen des Schmerzes.

Drei weitere Figuren (Kathrin Angerer, Tayfun Bademsoy, Gabor
Biedermann) sprechen miteinander und mit sich selbst. Sie beleuchten
den Fall Sürücü von verschiedenen Seiten. Doch sie kommen nicht auf
einen Nenner – der gemeinsame, eine, „richtige“ Blickwinkel bleibt
unauffindbar. Im Aufgeben der Suche danach tut sich vielleicht ein
neuer Ansatz auf – ein nüchterner Blick auf die schier unglaubliche
Vielstimmigkeit menschlichen Lebens und Denkens.

Die Komponistin Susanne Stelzenbach sagt zu ihrer Arbeit am Hörspiel:
„Auf der musikalischen Ebene habe ich versucht, zwischen Text und
realem Geräusch einen künstlichen Raum zu erzeugen, der vielfältige
Assoziationen weckt und dem der Text eine zusätzliche Ebene gibt. Als
kompositorisches Ausgangsmaterial dienten mir Klänge von Klarinette
und Klavier sowie Geräusche aus Natur und Umwelt, die real und bis zur
Unkenntlichkeit elektroakustisch verformt zum Einsatz kommen.

Das Hörspiel beginnt mit dem Zuschlagen des Tastendeckels eines
Flügels bei getretenem Pedal. Der Nachhall der dadurch angeregten
Saiten lässt eine längst vergangene Musik ahnen. In Verbindung mit dem
Mord an Hatun Sürücü erinnert dieses unheimliche Raunen, welches an
verschiedenen Stellen des Textes wieder aufgenommen wird, an die
grausame Tat …“

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